Die Sünderin von Siena
von seiner Schlampigkeit angeekelt, schaute Matteo sich um. Die Küche – ein Dreckloch, angefüllt mit schmutzigem Geschirr, auf dem Speisereste vor sich hin schimmelten. Halbherzig schichtete er ein paar Teller und Näpfe aufeinander, dann ließ er es wieder bleiben. Hier zu beginnen erschien ihm uferlos.
Er stieß einen Seufzer aus. Das bedeutete, vor Ornela Panizzi einen tiefen Katzbuckel machen und sie untertänigst bitten zu müssen, sich seiner wieder anzunehmen. Wenigstens konnte er bei dieser Gelegenheit Eier bei ihr kaufen, die er als Vorbereitung für das Fresko brauchte. Vor dem blinden, halb abgeschlagenen Spiegel im Flur setzte er schon mal probeweise eine leutselige Miene auf.
Es würde gehen. Es musste gehen.
Ornela freilich ließ ihn zappeln, als er an ihre Tür klopfte.
»Sieh an, der große Meister höchstpersönlich!«, sagte sie spöttisch. »Was ist denn geschehen, dass er sich so plötzlich wieder auf uns niederes Volk besinnt?«
»Es wird Frühling, und ich sitze bis zum Hals im eigenen Dreck«, sagte Matteo ohne Umschweife. »Wie sollte ich da ohne Hilfe jemals wieder rauskommen?«
»Deine Angelegenheit.« Um ein Haar hätte sie ihm die Türe vor der Nase zugeschlagen.
»Auch, wenn ich dir dafür drei Lira anbiete?«
Der Spalt wurde eindeutig größer.
»Und deinem Nevio Arbeit als Gehilfe in Aussicht stelle?«, setzte er hinzu.
»Wo ist das Geld?«, sagte Ornela missmutig. »Ich will es sehen. Und keine Mätzchen, sonst wirst du mich kennenlernen!«
Er zählte ihr die Münzen in die raue Hand. Jetzt waren nur mehr noch drei solche in seiner kleinen Holzkiste, die bis zur hoffentlich baldigen Aushändigung des Vorschusses reichen mussten.
Ornela verschwand nach drinnen und kam dann mit Eimer, Lumpen und einem bis oben gefüllten Pottaschetrog zurück.
»Einen Besen hast du? Oder ist der inzwischen auch schon als kümmerliche Einlage im Suppentopf gelandet?«
»Einen Besen gibt es. Und Nevio soll dich auch gleich begleiten«, sagte er. »Mindestens zwei Dutzend Eier brauch ich noch dazu von dir. Die kann er mir gleich bringen. So verlieren wir keine Zeit.«
Zurück im Haus verschwand Ornela kopfschüttelnd in der Küche, während Matteo sich mit ihrem Sohn über die anderen Räume hermachte. Das größte Zimmer glich einem aufgelösten Feldlager; in den letzten Monaten hatte Matteo hier geschlafen, gegessen, gesoffen und gegrübelt. Er hievte die spärlichen Möbel nach draußen und hieß den Jungen den Steinboden gründlich mit einer Bürste schrubben. Nebenan hörte er Ornela schimpfen und stöhnen, aber er wusste, er konnte sich auf sie verlassen. Irgendwann schaute sogar die schwarze Nachbarkatze mit den weißen Pfoten herein, die bislang stets unverrichteter Dinge wieder abgezogen war. Heute jedoch bekam sie in einem Schüsselchen einen Eidotter kredenzt, den sie bis zum letzten Tropfen aufschleckte.
Es kostete ihn Überwindung, seine Schlafkammer zu betreten, aber schließlich gelang es ihm doch. Dieser Raum war zur Rumpelkammer verkommen; Malutensilien standen und lagen in wüstem Durcheinander herum, nur eine Ecke wirkte halbwegs aufgeräumt. Vor einer beschlagenen Eichentruhe lag auf zwei auseinandergerückten Stühlen, wonach er gesucht hatte. Matteo hob den Zeichenkarton behutsam hoch und trug ihn nach nebenan. Dort wäre der Boden zwar inzwischen wieder trocken gewesen, aber er schleppte zunächst mit Nevio alle Möbel wieder herein, bis er den Karton schließlich vorsichtig auf dem abgeräumten Tisch ausbreitete.
»Das alles werden wir also malen?«, fragte der Junge mit großen Augen und betrachtete die exakt eingetragenen Quadrate mit den Entwürfen. »Wie aufregend!« Sein schmutzig blondes Haar hing ihm tief in die Stirn; Hände und Füße, stets in Bewegung, schienen viel zu groß für den knochigen Körper.
»Ich«, korrigierte Matteo, »falls du gütigerweise erlaubst. Denn vorerst bin hier noch immer einzig und allein ich der Maler.«
Nevios fleischige Unterlippe sackte herab.
»Was nicht heißt, dass ich in absehbarer Zeit nicht einen Lehrling gebrauchen könnte«, fuhr Matteo fort. »Vorausgesetzt natürlich, dieser Kandidat ist tüchtig und fleißig und erweist sich meiner Kunst und allem, was dazugehört, tatsächlich auch als würdig.«
»Ich mache alles, was Ihr verlangt«, stieß Nevio hervor. »Tag und Nacht werde ich für Euch schuften, Meister …«
»Fürs Erste genügt, wenn du mich weiterhin Matteo nennst und meine Pinsel gründlich
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