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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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geht es dort um Geld und Profit, als sei das das Allerwichtigste auf der Welt. Deshalb hab ich mich schließlich doch lieber für Siena entschieden. Außerdem gibt es weit und breit keine andere Einrichtung wie Santa Maria della Scala, die so viele verschiedene Möglichkeiten eröffnet. Ich wollte ein Haus führen, in dem Waisen aufwachsen können – und hier ist mir dies möglich, dank des Hospitals.«
    »In Venedig sind sehr viele Händler zu Hause«, sagte Gemma. »Sie müssen an Profit denken, sonst gehen sie früher oder später unter. Das bringt dieser Beruf mit sich.«
    »Das klingt ja beinahe, als hättet Ihr besonders viel Verständnis für diese Leute.«
    Gemma lächelte. »Vielleicht, weil ich die Tochter eines tüchtigen Händlers bin«, sagte sie. »Und von klein auf daran gewöhnt, wie er zu denken.«
    »Was hat Euch dann nach Santa Maria della Scala geführt?«
    Plötzlich schienen die Rollen vertauscht. Ich war doch die, die die Fragen stellen wollte, dachte Gemma erstaunt, und jetzt ist sie es, die mich gezielt in die Ecke treibt.
    »Eheangelegenheiten«, sagte sie schließlich knapp. »Und keine sonderlich angenehmen, wie Ihr Euch vielleicht vorstellen könnt. Ich hoffe, ich werde fürs Erste im Hospital bleiben können. Und falls nicht, dann …« Sie verstummte.
    Für ein paar Augenblicke war es still im Raum, und auch das Kindergeschrei nebenan schien vollends verstummt.
    »Ihr habt vorhin meine Große gesehen?«, sagte Lina plötzlich.
    »Das scheue Mädchen mit den schwarzen Locken?«
    Lina nickte. »Man hat sie halb tot aus einem Hurenhaus an der Küste gerettet«, sagte sie. »Dort war sie über mehrere Monate eingesperrt gewesen. Mia war nur noch Haut und Knochen, als ich sie bekommen habe. Jede Nacht hat sie vor Angst ins Bett gemacht. Erst seit ein paar Tagen bleibt das Laken trocken.«
    »Aber sie ist doch noch ein Kind!«, rief Gemma erschrocken.
    »Keine zwölf«, sagte Lina ruhig. »Habt Ihr gesehen, dass sie beim Gehen hinkt? Ihr linkes Bein ist nach einem Fieber lahm geblieben. Das übt auf manche Männer einen ganz besonderen Reiz aus.«
    »Wer sind nur diese Tiere!«
    »Tiere? Jedenfalls gibt es mehr davon, als Ihr vielleicht glaubt. Überall.« Linas Hand fuhr energisch über die Tischplatte, als gäbe es dort etwas Unsichtbares wegzuwischen. »Lebt Euer Vater noch, dieser tüchtige Händler, der so oft in Venedig war?«, fragte sie plötzlich.
    Gemma nickte.
    »Hier? In Siena? Und er ist gesund und wohlauf?«
    Gemma nickte abermals.
    »Warum geht Ihr dann nicht zu ihm, wenn Ihr in Schwierigkeiten steckt?«
    »Ganz und gar unmöglich!«
    »Weshalb?«
    »Weil ich … Weil er …«
    »Weil Ihr zu stolz dazu seid?« Linas Stimme war eindringlich geworden. »Ist das nicht blanker Hochmut, Monna Santini – und damit eine schwere Sünde?«
    Was bildete sich diese Fremde ein, die doch nichts über sie wusste! In wortloser Empörung starrte Gemma sie an, Mamma Lina jedoch schien noch nicht am Ende angelangt.
    »Diese Waisen nebenan, die sich nach Essen und Liebe, nach Schutz und einem Zuhause sehnen, sind so viel schlimmer dran als Ihr. Nichts und niemanden haben sie mehr auf der Welt. Ihr aber besitzt eine Familie, einen Vater, der Euch gewiss von ganzem Herzen liebt. Geht zu ihm, bittet ihn um Hilfe, und er wird Euch sicherlich nicht von der Schwelle weisen. Das müsst Ihr tun – versprecht es mir!«
    Die beiden Frauen musterten sich stumm. Ein stummes Messen der Kräfte, das wussten beide, doch keine war bereit, als Erste aufzugeben.
    »Immerhin haben die Kinder Euch«, sagte Gemma nach einer Weile und wollte nicht zeigen, wie aufgewühlt sie innerlich war. »Ihr seid doch jetzt ihre neue Familie, Mamma Lina!«

    ❦

    Sein Haus stank wie ein Schweinestall, und plötzlich hatte Matteo genug davon. Er ging zum Fenster, öffnete den Riegel und lehnte kurz seine erhitzte Stirn gegen das gewölbte Glas, froh darüber, dass ihm der große Auftrag im Baptisterium von San Domenico vergangenes Jahr diese kostspielige Anschaffung ermöglicht hatte.
    Ein Schwall kühler Luft strömte herein, empfindlich kühler Luft sogar – und doch konnte er zum ersten Mal den Frühling riechen. Kinderlachen drang gegenüber aus dem schmalen Haus mit den blauen Läden, das so lange leer gestanden und nun offenbar neue, lebhafte Bewohner gefunden hatte. Kinderlachen, das ihn kurz lächeln ließ, dann aber wieder traurig machte.
    Er durfte nicht schon wieder in dumpfen Trübsinn verfallen!
    Mit einem Male

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