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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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ich manchmal den Verstand verliere? Dass ich verzogen und verwöhnt bin und seine Güte nicht zu schätzen weiß? Was es auch war, du darfst ihm nicht trauen!«, sagte sie. »Alles, was ihn jemals interessiert hat, waren meine Mitgift und die Aussicht, nach der Hochzeit dein Handelspartner zu werden. Das weiß ich jetzt.«
    »Meinst du nicht, dass es allmählich gut ist, Mädchen?«, sagte Bartolo müde.
    Er glaubte ihr nicht – nicht ein einziges Wort glaubte er ihr!
    Der Vater ließ sie nur reden, weil sie eine Frau war, eine dumme, launische, unberechenbare Frau. Die Enttäuschung war so groß, dass Gemmas Augen feucht wurden. Aber sie würde jetzt nicht weinen, nicht einmal diese heißen Tränen der Wut.
    »Woher hast du nur diesen Unsinn, tesoro ?«, hörte sie Lupo sagen. Er wandte sich erneut an Bartolo. »Irgendein Verbrecher muss ihr diesen Schwachsinn in den hübschen Kopf gesetzt haben.«
    Jetzt wandte er sich wieder Gemma zu. »Verrat mir, wer dieser Kerl war – und wenn ich ihn in die Finger bekomme, werd ich ihn lehren, so etwas niemals wieder zu tun, das verspreche ich dir. Nichts könnte mir wichtiger auf der Welt sein als du. Wäre ich sonst …«
    »Schweig!« Zornig war Gemma zu ihm herumgefahren. »Halt endlich den Mund! Ich will deine widerlichen Lügen nicht mehr hören.«
    Sie sah Bartolo eindringlich an, der inzwischen noch fahler geworden war.
    »Nimm mich auf, auch wenn du mir jetzt nicht glaubst! Ich bin dein Kind, Vater, du musst es tun – bitte!« Sie fiel auf die Knie, schaute flehentlich zu ihm auf, wie sie es als kleines Mädchen getan hatte. Als er sich noch immer nicht rührte, küsste sie seine Hand, ganz die pflichtbewusste, demütige Tochter, die sie freilich nie gewesen war.
    Bartolo zog seine Hand weg und räusperte sich mehrmals. Die Schultern waren herabgesackt. Unübersehbar, wie sehr ihm diese Situation zusetzte, ihm, der alles am liebsten stets harmonisch und ausgeglichen hatte. Aber sie hatte ihn mit ihrer Bitte erreicht. Etwas in seinem Blick sagte Gemma, dass ihr dies tatsächlich gelungen war.
    »Steh auf, mein Mädchen, ich bitte dich!«, sagte er schließlich. »Du weißt, wie ich derartige Auftritte verabscheue.«
    Gemma tat wie geheißen und trat einen Schritt zur Seite.
    »Ein Vorschlag zur Güte«, fuhr Bartolo nach abermaligem Räuspern fort. »Nachdem ihr mich schon in diese leidige Lage gebracht habt. Gemma kehrt auf ihren Wunsch hin zurück in ihr Elternhaus, für einige Zeit …« Sie wollte sofort einen Einwand bringen, er aber ließ sie nicht zu Wort kommen. »… um hier in Ruhe nachzudenken. Drei Monate erscheinen mir eine angemessene Frist. Lang genug, damit alle Seiten wieder einen kühlen Kopf bekommen, kurz genug, um auf Dauer dummes Gerede zu vermeiden. Wir werden sagen, sie sei gekommen, um Lavinia nach einer schweren Krankheit hilfreich zur Seite zu stehen, dagegen kann niemand einen vernünftigen Einwand erheben.«
    Selbst in dieser Situation dachte der Vater noch an seine Reputation! Aber er hatte recht, denn Siena war eine Stadt mit tausend Augen, und immerhin hatte Gemma somit einen Aufschub gewonnen. Ein Anflug von Erleichterung machte sich in ihr breit. Erst einmal in Sicherheit, würde sich bald eine passende Gelegenheit ergeben, ihm alles zu erzählen, dafür würde sie sorgen.
    »Lupo seinerseits wird diese Bedenkzeit respektieren.« Bartolos Tonfall ließ keinen Widerspruch zu. »Das werdet Ihr doch, Messer di Cecco, nicht wahr?«
    Lupos Miene wurde immer finsterer, aber er zwang sich ein Nicken ab.
    »Erst danach kommt es zur endgültigen Entscheidung. Eines allerdings gebe ich zu bedenken: Was immer auch geschieht, Lupos Frau bleibst du ohnehin, Gemma. Nur der Tod kann euch beide trennen.«
    »Glaubst du, das könnte ich jemals vergessen, Vater?«, flüsterte sie. »Glaubst du das wirklich?«

    ❦

    »Sie werden sie also hinrichten?« Bices tief liegende Augen wanderten von einem zum anderen, doch keiner der Tischgenossen schien willens, ihr zu antworten. » Pec catum mutum ?«
    »Hast du kein anderes Thema?«, sagte Enea schließlich mit gerunzelter Stirn. »Sieht ja aus, als wolltest du unseren Gästen unbedingt den Appetit verderben.«
    Das war leicht übertrieben, wie alle wussten, denn Bice war es gelungen, unter gewitzter Umgehung der Fastengesetze ein geradezu fürstliches Mahl aufzutischen, wie man es allerdings im Hause di Nero nicht anders gewohnt war. Nach einer kräftigen Morchelpasta hatten die Gäste Brotsuppe mit

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