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Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein

Titel: Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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nachdem. Eine Harke hat einen Stiel und unten eine Anzahl von Zinken, je nachdem wie groß die Harke ist und welchem bestimmten Zweck sie dient. Man kann sich zum Beispiel eine Harke mit 5 Zinken vorstellen, jeweils 7 Zentimeter lang, mit einem Stiel aus Eschenholz, dessen Gesamtlänge 133,5 Zentimeter beträgt und einem Gesamtgewicht von 690 Gramm. So eine habe ich nämlich. Das wäre mal ein Beispiel für eine Harke. Es gibt andere. Federbesen, Laubbesen, Laubrechen, Fächerbesen, Fächerrechen. Alles Harken. Sie eignen sich hervorragend dazu, Laub zusammenzukehren. Sie pflegen dabei den Rasen, weil sie ihm Luft zuführen, ihn von abgestorbenen Halmen befreien und gleichzeitig das Unkraut schwächen. Es ist für den Rasen schön, wenn er geharkt wird. Und wenn man es vorsichtig und behutsam macht, gilt das auch für die Staudenbeete. Aber dann muss man schon sehr vorsichtig sein oder eine sehr kleine Harke haben. Besser man nimmt die Hand. Noch besser: Man lässt die Kinder diese unangenehme Arbeit tun.
    Also, das alles hatte der Bauernsohn vergessen. Und tritt auf eine am Boden liegende Harke, auf das Kopfstück, die Zinken weisen nach oben, was dazu führt, dass der Stiel mit beachtlicher Geschwindigkeit nach oben schnellt und, das bringen die Anatomie des Bauernsohns und die der Harke mit sich, den Mann voll am Kopf erwischt. In diesem Augenblick ruft er aus: »verfluchte Harke«, ist also von seinem Hochmut geheilt und weiß wieder, was eine Harke ist.
    Der Herbst, wenn alles voll Laub ist, ist die richtige Jahreszeit für diese Geschichte: die Jahreszeit der Laubbläser. Man sieht – und hört – jetzt allerorten Männer – es sind immer nur Männer –, die sich kleine, handliche 1-PS-Motoren auf den Rücken geschnallt haben und mit einem langen Plastikpimmel in der Hand Laubwolken vor sich herpusten, mit Spitzengeschwindigkeiten von über 300 Stundenkilometern. Die Schallbelastung solcher Geräte liegt am Ohr des Verursachers bei etwa 100 Dezibel, in einigen Metern Entfernung noch bei 80. Das ist Wahnsinn.
     
    Man möchte ihnen zurufen: Nehmt! Eine! Harke! Ihr! Idioten! Aber sie haben ja vergessen, was eine Harke ist.
     
    Immerhin werden bei dieser Art der Gartenpflege Myriaden von Pilzen und Sporen aufgewirbelt, die sonst harmlos in der Erde schlummern würden. Die atmet der Laubbläser dann ein und in seiner Lunge beginnen sie ihr Vernichtungswerk. Wenn Sie unter einem Laubbläser in der Nachbarschaft leiden, kann Ihnen dieses Wissen vielleicht eine gewisse Genugtuung verschaffen.
     
     
     
    Der Herbst ist natürlich auch die Zeit zum Holzmachen. Eine weitere wunderbare poetische Tätigkeit, die das Leben des Gärtners bereichert. In einer Zeit, die dem Männertum nicht eben freundlich gesonnen ist, handelt es sich beim Holzfällen um eine der letzten wirklich mannhaften Tätigkeiten. Ich habe noch nie eine Frau mit einer Axt in der Hand gesehen. Jedenfalls nicht, wenn es ums Holzmachen ging. Alles andere, was einmal typisch männlich war – schnelles Fahren, Prügeleien, wahlloser Geschlechtsverkehr –, ist irgendwie ins Gerede gekommen. Nicht das Holzfällen. Im Gegenteil. Der Holzfäller ist umgeben von der Aura erlaubter Kraft und guter Gewalt. Am besten kommt natürlich der gebildete Holzfäller an. Geist vereint mit Stärke, das ist der Hammer! Also wenn zum Beispiel Sepp Bierbichler in der Berliner Schaubühne sein HOLZSCHLACHTEN gegeben hat, dann war man ganz hingerissen, Mann und Frau. Die Axt und der Baum, das löst Sehnsüchte aus beim denkenden Mann.
    »Wie sehne ich mich in Wirklichkeit nicht einmal so sehr nach Ruhe, als nach dem tatsächlichen Inruhegelassenwerden«, sagt der Burgschauspieler in Thomas Bernhards HOLZFÄLLEN . »Ich hätte in ganz anderen Verhältnissen aufwachsen müssen, in der freien Natur«, sagt er, »wie ich immer gewünscht habe, nicht in der eingesperrten, überhaupt in der Natur, nicht in der Künstlichkeit. Denn wir alle sind in der Künstlichkeit aufgewachsen, in dem heillosen Wahnsinn der Künstlichkeit.«
    Da hilft also die Axt. Aber nur die Axt, nicht die Säge. Sägen sind mehr was für Frauen. Äxte was für Männer. Peter Handke hat sich im VERSUCH ÜBER DEN GEGLÜCKTEN TAG mit dem Holzsägen befasst, mit seiner fließenden Gleichmäßigkeit und Ruhe. Aber Holzfällen ist nicht gleichmäßig. »Holzfällen ist natürlich, das Sägen ist unnatürlich«, sagt Bierbichler. Er hatte fürs Theater immer Stämme aus dem eigenen Wald drunten am Starnberger

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