Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
siebziger Jahren hatte. Endlich wollten alle so werden, wie er schon die ganze Zeit war.
Seine Bücher verkauften sich wie geschnitten Brot und im Fernsehen durfte er über Umweltbewusstsein predigen. Der Aussteiger-Papst starb im Jahr 2004 als Neunzigjähriger, ohne dass er das Ende erleben musste, auf das er zuackerte.
Das könnte uns anders gehen. Ich habe das Buch eigentlich rausgesucht, als ich gelesen habe, dass Michelle Obama, die Präsidentengattin, im Garten des Weißen Hauses 100 Quadratmeter mit Brokkoli, Spinat und Kohl bepflanzt. Eleanor Roosevelt hatte das auch schon mal gemacht. Und damit die Amerikaner angehalten, ebensolche Verteidigungsgärten anzulegen. Selbstversorgung im Krieg, in harten Zeiten den Gürtel enger schnallen und die Gurken selber ziehen. Bei genügendem Leserinteresse findet sich gewiss ein Verlag für die Neuauflage des Seymour-Standards: LEBEN AUF DEM LANDE. EIN PRAKTISCHES HANDBUCH FÜR REALISTEN UND TRÄUMER.
Sobald der Frost seinen Griff lockert, kehrt das Leben zurück. Das merken Sie zuerst am Geruch. Auch wenn draußen noch alles weiß ist und grau und neblig und trüb und farblos und schrecklich. Der Winter ist nämlich die schreckliche Zeit, die Zeit des Leids und des Wartens und des Wahnsinns, in der man unruhig am Fenster steht, die Fäuste in den Taschen geballt, ein unangenehmes Flirren im Magen und im Herzen. Dieses Rauswollen, dieses Handelnwollen, dieses endlich, endlich, endlich Andiefrischeluftwollen. Der Winter ist beinahe unerträglich. Aber er kündet von seinem Ende, wenn die Luft sich ändert. Sie werden dafür ein Gespür entwickeln. Sie werden es am Licht sehen, am Gehalt der Feuchtigkeit in der Luft, an der Art und Weise, wie die Farbe der Sonnenstrahlen langsam von Grün zu Gelb wechselt. Sie werden fühlen, wenn das Ende des Winters naht. Es ist dann so, dass die Mikroben die Arbeit wieder aufnehmen. Und dieser kalte, trockene, tote Geruch des Nichts, den manche für die gute Winterluft halten, weicht einem wärmeren, erdigen, feuchten Geruch, dem Odem des Lebens, wenn ich das mal so sagen darf.
Das kann natürlich nur geschehen, weil der Boden auftaut. Und wenn der Boden auftaut, kann man graben. Das ist gut. Wenn sonst auch noch Winter herrscht, können Sie Ihre Langeweile und Ihren Tatendurst in eine Grube stecken: der Teich. Graben Sie! Fangen Sie an zu graben! Bis zur Erschöpfung! Bis Ihr Gesicht diese ungesunde grau-schwärzliche Färbung bekommt, die sich unweigerlich einstellt, wenn Leute, die es nicht gewohnt sind, sich zu viel zumuten. Egal. Machen Sie weiter. Der Schweiß rinnt Ihnen den Leib hinab und Sie wissen nicht, ob Sie frieren oder schwitzen, weil es ja noch echt kalt ist draußen. Ihr Kopf glüht. Die Hände schmerzen. Die Knie geben nach. Und dass Ihr Rücken immer noch so wehtun kann, hatten Sie nur deshalb vergessen, weil es Monate her ist, dass Sie ihn für irgendetwas anderes benutzt haben als fürs Bücken vor dem Kühlschrank. Mit einem Wort: überanstrengen Sie sich ruhig ein bisschen. Dann werden Sie krank. Keine Frage. Im Februar und März fordern die grippalen Infekte ohnehin ihre meisten Opfer, und wenn Sie sich derart zurichten, ist es kein Wunder, dass Sie wenige Tage später darniederliegen. Aber, es hat sich gelohnt. Sie spüren sich wieder. Und ein professionelles Unternehmen kann die Arbeit fortsetzen, der Sie ohnehin nicht gewachsen gewesen wären. Aber jetzt haben Sie eine Ausrede.
Sagen wir, Sie machen es wie ich und lassen eine Grube ausheben, acht Meter lang, vier Meter breit, die an der tiefsten Stelle in der Mitte bestimmt 1,85 Meter misst. Wenn ich hinuntersteige, kann ich gerade über den Rand gucken. Da könnte man jemanden stehend eingraben. Sehr praktisch. Natürlich gibt es ein paar Leute, denen ich hier gerne einen Platz einräumen würde. Es gibt ja den Satz, der Gärtner sei immer der Mörder. Wir werden dem im nächsten Kapitel nachgehen. Es handelt sich da natürlich um Unsinn. Aber tatsächlich sind Gärten wahrhaftig nicht nur Orte des Friedens und der Eintracht. Und man hat nicht so oft eine derartige Grube griffbereit. Das bringt einen auf dunkle Gedanken, und die sind dem See an sich ja auch sehr angemessen. »Nirgends verleugnet der See seine unheilvolle Natur unter der toten Fläche des Spiegels«, schreibt Walter Benjamin über das Dunkel-Dräuende des Wassers in Goethes WAHLVERWANDTSCHAFTEN.
Andererseits steht zu Bedenken, dass Ihr Opfer, wenn es groß genug wäre, immer noch
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