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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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zu zittern und zu taumeln, versuchte mit aller Kraft, die Kontrolle über meinen Körper zu behalten, da schon ein Tropfen, der in meine Maske eindrang, genügte, um mich umzubringen.
    Das Gefühl der Übelkeit ging zurück, nach einigen heftigen Bewegungen war es ganz verschwunden. Ungeheure Genugtuung überspülte mich: Hinter mir suchte der Bullencopter vergeblich das Ufer ab.
    Meine nervöse Anspannung verschwand, als ich bemerkte, daß der Pfeiler, an den ich mich klammerte, sehr glitschig war. Wie sollte ich daran emporklettern? Ich lachte auf. Wieso sollte ich nicht in aller Seelenruhe einfach unter der Brücke ans andere Ufer schwimmen? Ich zögerte zunächst, dachte an meine von der Kälte steifen Muskeln. Für diesen Tag hatte ich genug Schwierigkeiten mit den Bullen gehabt, ich konnte nur hoffen, daß sie sich weiterhin damit beschäftigten, das entferntere Ufer abzusuchen, in der Hoffnung, daß ein normaler Mensch keine Sekunde länger in dieser Brühe verweilen würde, wie es nötig war.
    Das Wasser unter der Brücke war etwas ruhiger, aber als ich die ersten schlammigen Grasbüschel des anderen Ufers ergriff, zitterten meine Armmuskeln dennoch. Keuchend zog ich mich an Land und fiel wie ein Sack auf den kalten, unebenen Weg. Es dauerte zwanzig Sekunden, ehe ich die Augen wieder öffnete und als erstes meine aufgeschürften Hände erblickte. Es war, als hätte dieser Blick ein Signal ausgelöst: Der Schmerz kroch durch meine Finger. Ich konnte den Blick nicht von ihnen lösen. Die Haut war von meinem Fleisch abgefallen, das Fleisch selbst schimmerte an einigen Stellen violett.
    Ein dumpfer Schmerz klopfte in meinen Füßen. Ich drehte mich auf den Rücken und setzte mich langsam auf. Die Schuhe waren aufgequollen von der Nässe, meine Beine darin eingeklemmt. Mit den schmerzenden Händen befreite ich sie von dem Leder. Es war eine ungeheure Anstrengung. Als ich sie mühsam herauszog, hielt ich unwillkürlich den Atem an. Die Haut war dunkelviolett. Ich sah in meinen Handflächen rote Adern pulsieren, dort, wo die Haut weißer als bleich war. Ich zog das Hemd aus und riß das synthetische Zeug systematisch in Fetzen, um es um die Füße zu wickeln. Schuhe konnte ich in diesem Zustand nicht mehr tragen, aber ebensowenig konnte ich ohne einen Schutz gehen. Währenddessen sah ich mich um. Vor mir lagen einige Lagerhäuser. Ein paar Blöcke weiter stach die runde Silhouette eines Gebäudes, das ich schon vom anderen Ufer aus gesehen hatte, alle anderen aus. Ich spielte kurz mit der Idee, mich in einem der Lagerhäuser zu verstecken, verwarf sie aber wieder. Ich kannte diesen Teil der ringförmigen Stadt Thruway nicht. Das Negerviertel mußte in unmittelbarer Nähe sein, denn ich hatte den Ring tief durchstoßen. Thruway war nichts anderes als ein gewaltiger Kreis von Gebäuden, ein Kreis rund um das Negerland, der die Nigger in eisernem Griff hielt. Mehr wußte ich auch nicht.
    Vielleicht würde es in den Lagerhäusern bald von Hafenarbeitern wimmeln, die die alten, rostigen Kräne rechts von mir bedienten. Außerdem mußte ich dringend Verbandszeug und neue Kleider auftreiben. Eine Lungenentzündung und eine Blutvergiftung waren das Allerletzte, was ich mir jetzt leisten konnte. Ich fragte mich flüchtig, ob ich wirklich zuviel Wasser abbekommen hatte, dann stand ich auf und begann einen schmerzhaften Zuckeltrab längs der Lagerhallen zu laufen. Am Ende der Häuserzeile tropfte das Blut aus meinen Fußlappen. Ein verfallener Zaun, auf dem allerlei unlesbare Parolen standen, versperrte meinen Weg nur kurz. In ihm befanden sich genügend zerbrochene Planken, die mir ein Durchqueren erlaubten. Dahinter tauchte ein unbebautes Grundstück auf, übersät von Stacheldraht, und ich hatte keine Ahnung, wie ich da hindurchkommen konnte, obwohl ich es anschließend, aus zahllosen Wunden blutend, schaffte. Das vor mir liegende Straßennetz schien zu flimmern und zu tanzen. Es wurde mir fast unmöglich, etwas zu sehen. Ich wählte auf gut Glück den naheliegenden Weg und taumelte weiter. Die Sonne färbte die hoch über mir dahinschwebenden Wolken silbergrau, aber erweckte nicht den Anschein, als würde sie sie durchbrechen. Und das war wichtig. Ich hatte mir nie den Luxus einer Uhr geleistet, aber schätzungsweise mußte es jetzt halb neun sein.
    Ich hatte gerade die ersten Häuser erreicht, als erneut ein Bullencopter durch die Luftschichten drang. Ich drückte mich in eine Nische, aber er verschwand mit großer

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