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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Töten hat. Du kannst mir nicht einreden, daß sie dich auf Theodore losließen, ohne sicher zu sein, daß du Krebs heilen kannst.«

    Ich habe sie immer noch nicht vergessen, und diese Nacht träumte ich wieder, daß ich sie vögelte, während ich gleichzeitig feststellte, daß das das einzige war, was ich konnte. Ich lag auf ihr und stieß in ihren After, während sie bewegungslos dalag. Sie entspannte sich nicht. Das tat sie nie, und so hatte ich keinen einfachen Zugang. Aber ebensogut fühlte ich meinen eigenen Penis nicht.
    »Das ist alles, was ich kann«, sagte ich, »und wenn meine Zellen nun den Krebs von dir fernhalten, ist das nicht mehr als ein gewöhnlicher, dummer Zufall, mehr nicht. Natürlich tun sie das nicht, das tun sie nicht … Sie sind zu wertvoll, zu wertvoll, zu wertvoll …«
    Ich lachte, halb belustigt.
    »Du sollst uns helfen«, sagte sie wieder.
    Ich stand langsam auf und sah mir das Zimmer an, weil ich nicht sofort eine Antwort geben wollte. Sie blieb bewegungslos am Ende der Pritsche, auf der ich gelegen hatte, sitzen. Wieder durchfuhr mich ein stechender Schmerz: das Zimmer ließ mich an meine Jugend denken. Ich blickte meine Hände an, dann die Füße und dann sie. Meine Glieder waren verbunden. Sie sah mich offen an. Erneut glitt mein Blick in die Runde: Der Raum hatte viele Ecken, und die alten Möbel, die ich sah, schufen eine gemütliche Atmosphäre. Sie machten aus diesem Loch ein Zuhause.
    Ich wandte mich um und blickte sie an. Sie war hübsch, wenn man eine Negerin hübsch finden kann. Die Nase war breit, und ihre Lippen dick und cremefarben. Ihre Augen waren fast von einem dunklen Blau. Sie trug ein einfaches, abgetragenes Leinenkleid, und sie war groß und schlank, mindestens einen Meter achtzig groß. Größer als ich. Ihre enorme Frisur umsäumte ein ovales, gefühlvolles Gesicht, und der kühle Ernst, der darauf lag, ließ mich an die Statue einer mystischen Kultur denken. Was in erster Linie an ihr auffiel, war die unnatürliche Ruhe.
    »Nimm an, ich täte es«, brummte ich stur. »Nimm an, ich werde ein Messias. Was ist dann meine Belohnung?«
    Ihre Lippen teilten sich. Jede Muskelbewegung in ihrem Gesicht bedeutete etwas, und ich nahm das kleinste Zucken wahr, als wartete ich auf den Moment, in dem sie erwachte. Sie war eine Sphinx, besser kann man es nicht ausdrücken. Eine Sphinx mit steinerner Haut und im Innern ein feuriges Bündel von Emotionen.
    »Ich wüßte nicht, warum wir dich belohnen sollten. Aber wenn du es unbedingt hören willst: Du kannst dann hierbleiben. Die Bullen werden dich hier jedenfalls nicht suchen.«
    Ich biß mir auf die Lippen. Es war Wahnsinn! Ein Weißer zwischen den Negern? Die Zeit des Freitag-Syndroms war längst vorbei! Es würde niemals glücken, dachte ich und öffnete den Mund, um es auszusprechen. Aber sie kam mir zuvor: »Es wird nicht einfach sein. Du wirst dich anpassen müssen … und wir auch. Aber die Anpassung wird nicht allein dadurch zustande kommen, indem du unsere Kranken heilst …«
    In diesem Moment erklang ein kurzes Klopfen. Die Tür wurde aufgestoßen. Ein Neger in einer verschlissenen Uniform trat ein. Als er mich sah, glitt seine Hand zu einer alten, aber gut erhaltenen Smith & Wesson.
    »So, Bürschchen«, brummte er, heiß vor Wut. »Du …«
    »Jesus«, sagte ich müde. »Siehst du es nicht selbst?«

    Ich schüttelte unwillig den Kopf und glitt nervös mit den Fingern über die Maske. Der alte Neger vor mir war sicher sechzig Jahre alt. Als ich, entgegen meiner sonstigen Art doch neugierig geworden, die Augenklappen meiner Maske schloß und den ersten Tastsinn aussandte, fühlte ich nichts mehr als das Wuchern der Krebszellen in seinem Magen.
    Van stand neben mir, und als ich die Augenklappen wieder öffnete, stellte ich fest, daß er mich mit einer Mischung aus Mißtrauen und Bewunderung ansah. Genauso hatte er mich angesehen, als er mich vor drei Tagen bei seiner Schwester gefunden hatte. Die Nachricht, daß ich bleiben würde, hatte sich wie ein Lauffeuer im ganzen Niggerland verbreitet. Für mich waren diese drei Tage ungewöhnlich lang, zermarternd und hart gewesen. Hart genug, um viel, vielleicht zuviel, darüber nachgedacht zu haben.
    Und selbst jetzt: Wiesel Driesel, der mich zwang, mich mental in die wahnsinnige Welt der Krebszellen zu stürzen. Irgendwann werde ich auch ihn noch töten, selbst wenn ich dafür noch ein Jahr auf der Flucht bin. Ich werde ihn töten; ihn, der mir nur ein Ding antat: daß

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