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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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beieinander haben. Der Kai war glücklicherweise nicht sonderlich hoch, dennoch landete ich bäuchlings im Wasser. Das Gefühl Tausender kleiner Ameisen, die sich an mir festbissen, zog durch meinen Körper. Ich schnappte panisch nach Atem. Der Schmerz verschwand langsam wieder, und ich begann schnell zu schwimmen, nachdem ich automatisch die Mundöffnung meiner Maske geschlossen hatte. Ein einziger Schluck dieses Wassers würde genügen, mir einen qualvollen Tod zu bescheren. Ich mußte die Brücke erreichen. Sie hatten sicher Walkie-talkies bei sich und längst festgestellt, daß ich in den Fluß gesprungen war. Sie würden annehmen, daß ich sofort zum anderen Ufer schwimmen würde, und niemals auf die Idee kommen, daß ich mir den weitaus längeren Weg zur Brücke vorgenommen hatte.
    Ich hätte es mir auch nicht vorstellen können, aber ich tat es. Ich schwamm zuerst ungefähr bis zur Flußmitte, bevor ich die Richtung auf die Brücke nahm, denn es wurde bereits heller. Wenn der Smog wegtrieb, würden sie mich von ihren Coptern aus sehen können. Bei jedem Zug holte ich tief Luft, da der Sauerstoff die Struktur meiner Maske gut durchdrang, während ich andererseits versuchte, nicht allzuviel Wasser an sie herankommen zu lassen. Jeder, der nicht eine solche Maske besaß, hätte bereits eine Unmenge Wasser schlucken müssen. Ich hatte sie mehr als einmal verflucht, aber nun erwies sie sich als ein Segen. Der Fluß war angefüllt mit anorganischem Dreck und toten, verwesenden Fischen.
    Ein Suchscheinwerfer sandte seinen Strahl über das Wasser, und ich blieb regungslos liegen, während ich hoffte, daß man meine Beinbewegungen nicht ausmachte. Langsam fühlte ich, wie die Kälte meine Kleidung durchdrang. Auch wenn sie imprägniert war, war das nicht unbedingt von Vorteil. Der Kegel des Suchlichts färbte die Ölflecken im Wasser und zeichnete gemächlich hübsche Reflexe. Dann glitt es vorüber. Es waren – und sind – bekanntlich ziemlich hartnäckige Elemente, diese Bullen, aber ich war auch nicht ohne. Sie glaubten nicht, daß ich das Risiko einer schmerzhaften Vergiftung eingehen würde, nicht einmal in meiner Lage. Aber sie kannten auch die Möglichkeiten meiner Maske nicht.
    Ich schwamm blindlings weiter, während ich, so oft wie mir nur möglich war, zur Brücke hinüber sah. Ich hatte den Eindruck, das Gefühl, daß ich Wasser schluckte. Dann meinte ich Energiepatronen zu sehen, die im Wasser trieben und Krebs verbreiteten, aber ich schob es meiner Ermüdung zu, daß ich Gespenster sah. Ein keuchender Hovercraft passierte mich und brachte das Wasser so stark in Bewegung, daß ich Mühe hatte, den Kopf oben zu behalten. Ich mußte meinen Nacken steif halten, damit nichts durch meine Augenlöcher in die Maske lief. Schließlich hörte ich ein ziemliches Brausen und verdoppelte meine Anstrengungen. Es wurde nun rasch heller, und durch meinen krampfhaft hochgehaltenen Kopf war ich in der Lage, die prächtige Aussicht auf den Himmel zu genießen. Hoch oben war ein dunkler Bogen, der aussah, als schwebe über den Bullencoptern ein enormer Geier ohne Kopf, aber ich glaube, daß jeder Verfolgte den Körper des Todes über oder hinter seinen Verfolgern erblickte. Der Copter selbst raste beinahe achtlos über mich dahin. Ich dankte dem Hovercraft, daß er soviel Bewegung ins Wasser gebracht hatte: Der Copter flog haargenau auf die Stelle zu, an der ich angekommen wäre, hätte ich den Fluß geradewegs durchschwommen.
    Ich fühlte meine Arme und Beine kaum noch und wußte, daß das Wasser sie angriff, denn sie waren nicht in der gleichen Weise geschützt wie mein Gesicht. Ich bekam plötzlich entsetzliche Magenschmerzen, so, als hätte ich einen Felsbrocken verschluckt, und ich begriff, daß das Wasser mir durch die Poren hindurch zusetzte.
    Noch zehn Meter … fünf … es waren hunderttausend Meter für mich. Mein Herzschlag klang so laut in meinen Ohren, daß ich mich ernsthaft darüber wunderte, weshalb die Bullen in ihrem Copter davon nichts mitbekamen. Mein Körper begann zu zucken. Ich sah Sterne und dunkle Schatten. Nur noch fünf Meter? Kurz vor den Brückenpfeilern wurde mir übel. Das Schwindelgefühl blieb, und mein Schädel schien zu bersten.
    Am Ufer lagen ein paar dunkle Haufen – Bojen vielleicht – im Wasser und schienen sich in schneller Fahrt auf mich zuzudrehen. Ein Schock durchfuhr meinen Körper, als ich unerwartet die kalten, schlüpfrigen Brückenpfeiler erreichte. Augenblicklich begann ich

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