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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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nur deswegen nicht aufgelöst, um in uns den Eindruck zu erwecken, daß wir noch immer unter ihrer Herrschaft stehen. In Wirklichkeit ist das alles längst vorbei.«
    Um die Lippen Torku-hits spielte ein zynisches Lächeln. Er schaute den Burschen mitleidig an und fragte sich, ob das Kommando Rora-das bereits wieder auf dem Rückweg in die Garnison war. In der Sicherheit der Kasernen, der Routine, des Drills, des Vertrauten; der Sicherheit der immer gleichen, eingeübten Reflexe.
    »Und was will der Dichter damit sagen?« fragte er plötzlich. Torku-hit fühlte sich ungeheuer optimistisch. Der verrückte Bursche mit dem verletzten Schenkel und seine irren Phantasien amüsierten ihn königlich. Natürlich repetierte er nur die kranken Visionen seines bereits zitierten Lieblingsautors, auch wenn die noch so stumpfsinnig waren. Auf ihn mochten sie anziehend wirken.
    »Kandoran hat über das Leid des menschlichen Lebens nur gesagt, daß man es ungeheuer lieben muß, um es trotzdem zu versuchen.«
    Welch ein Irrsinn!
    »Ich werde jetzt meine eigenen Schlüsse aus dieser Situation ziehen«, brach Torku-hit das Geschwätz ab. »Diese Tarnfabrik dient lediglich dazu, das Imperium glauben zu lassen, hier würden Motoren erzeugt. In Wirklichkeit gehen die Arbeiter irgendwelchen subversiven Tätigkeiten nach.«
    »Alle Fabriken sind stillgelegt. Wir haben überall diese Geräuschkulissen aufgestellt.«
    Der Bursche zuckte plötzlich mit dem ganzen Körper vom Boden hoch. Torku-hit hatte ihm einen Tritt gegen den verletzten Schenkel verpaßt.
    »Ich werde dir schon beibringen, wie man die Wahrheit sagt.«
    Als Offizier wußte Torku-hit natürlich genau, daß man in den Terroristen zuerst den Eindruck erwecken mußte, man glaube alles, was sie erzählten. Der nächste konsequente Schritt war, daß man alles Gesagte sofort wieder in Zweifel zog. Der Bursche heulte bereits wie ein geprügelter Hund, also hatte er in seinem Verhör die nächste Phase einzuleiten.
    Torku-hit trat dem Terroristen so lange in den Unterleib, bis er sicher war, daß der genug hatte. Der Bursche zuckte dabei mit dem Oberkörper hin und her, schnappte nach Luft und stieß einen stummen Schrei aus, der in einem unmenschlichen Gurgeln endete. Er spuckte Blut. Für einen Revolutionär war er entsetzlich schwächlich. Viel zu verletzlich. Keine Ausbildung, keine Ahnung von Technik und keinerlei Motivationen.
    »Was-geht-hier-vor!« Jedes von Torku-hits Worten knallte auf den Burschen nieder, und das Verrückte an der Situation war, daß Torku-hit durchaus bereit war, ihm zu glauben, sofern er die Wahrheit über die Terroristenbrut sagte, die der Garnison seit Jahren zu schaffen machte.
    »Ich-will-es-wissen!«
    Ihm war klar, daß der Bursche zumindest so lange nicht würde reden können, wie er noch dabei war, den Schmerz seiner Tritte zu verarbeiten. Dennoch war es unerläßlich, das Klima aus Angst und Gewalt weiterhin in ihm wachzuhalten. Also brüllte Torku-hit so laut, daß er fast das Dröhnen und Rattern der fiktiven Fabrik übertönte. Grinsend schüttelte der Gefangene den Kopf. Er schien vor Schmerz dem Wahnsinn nahe zu sein. Und er wurde grün. Er würde sich übergeben, das war deutlich.
    »Ich-befehle-dir-zu-sprechen!«
    Nun waren die Fronten geklärt. Von einem stummen Zuhörer war Torku-hit in die Position desjenigen übergewechselt, der Befehle erteilte, denen man ohne Murren gehorchte. Und er befahl ihm zu reden. Seine Stimme war beinahe hypnotisch. Der Bursche hatte nun keinen freien Willen mehr und war nur noch mit einem Magnetband zu vergleichen, das Informationen abspulte. Material.
    »Die Mächtigen haben aufgegeben!« Es klang wie ein Husten, war aber eindeutig in seiner Bestimmtheit. Die Sturheit, mit der diese Kreatur reagierte, konnte wirklich nur mit dem Eigensinn eines Tieres verglichen werden.
    »Ich befehle dir zu schweigen!«
    Der Gefangene war kein Mensch mehr. Plötzlich fuhr er dem Offizier an die Kehle. Torku-hit fluchte vor Wut, und mit einem rasenden Aufschrei zertrennte sein Dolch die Luft, traf die weiße Hand seines Gegners und nagelte sie auf dem schmutzigen Bretterboden fest, genauso, wie er es versprochen hatte. Seine Drohung hatte also nichts genützt. Der Bursche hätte ihm besser gehorchen sollen. Aber er hatte es unbedingt ausprobieren müssen, hatte versucht, wie weit er Torku-hit provozieren konnte. Er wußte aus seiner Ausbildung, daß Offiziere des Imperiums unnachsichtig zu sein hatten und auch nicht vor

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