Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
Staatspapierkäufe durch den ESM zumindest in Frage. So erklärt das Gericht in Absatz 276 seines Urteils:
» Da eine Aufnahme von Kapital durch den europäischen Stabilitätsmechanismus bei der Europäischen Zentralbank allein oder in Verbindung mit der Hinterlegung von Staatsanleihen mit Unionsrecht nicht vereinbar wäre, kann der Vertrag nur so verstanden werden, dass er derartige Anleiheoperationen nicht zulässt.«
Des Weiteren heißt es in Absatz 278:
» Auch eine Hinterlegung von Staatsanleihen durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus bei der Europäischen Zentralbank als Sicherheit für Kredite würde gegen das Verbot unmittelbaren Erwerbs von Schuldtiteln öffentlicher Stellen verstoßen. Dabei kann offen bleiben, ob hierin eine Übernahme von Schuldtiteln direkt vom öffentlichen Emittenten am Primärmarkt läge oder nach dem Zwischenerwerb durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus einem Erwerb am Sekundärmarkt entsprechen würde. Denn ein Erwerb von Staatsanleihen am Sekundärmarkt durch die Europäische Zentralbank, der auf von den Kapitalmärkten unabhängige Finanzierung der Haushalte der Mitgliedstaaten zielte, ist als Umgehung des Verbots monetärer Staatsfinanzierung ebenfalls untersagt. «
Mit beiden Passagen erklärt das Gericht, dass die Vergabe einer Banklizenz gemäß Artikel 32, Absatz 9 des ESM-Vertrages den EU-Verträgen widersprechen würde. Damit wird allen Spekulationen, man könne durch die Kombination von ESM und EZB das ganz große Rad drehen und die überschuldeten Staaten mit der Notenpresse retten, ein Riegel vorgeschoben. Wie erläutert, würde ein solches Vorgehen zu einem weiteren Anwachsen der Target-Forderungen der kapitalexportierenden Euroländer führen und insofern noch mehr Ersparnisse dieser Länder zwangsweise in die Staatsfinanzierung der Defizitländer umlenken.
Das Gericht schließt mit der Formulierung »Aufnahme von Kapital … bei der Europäischen Zentralbank allein oder in Verbindung mit ...« vermutlich sogar die Banklizenz für den Zweck einer Finanzierung des privaten Sektors aus. Das kann man mit dem Gipfelbeschluss vom 29. Juni 2012 in Verbindung bringen, nach dem der ESM seine Mittel direkt an die Banken der Krisenländer weiterleiten darf. Denn auch wenn ein Refinanzierungskredit ausgeschlossen ist,der mit Staatspapieren besichert ist, könnten kreative Europapolitiker ja die Meinung vertreten, Kredite des ESM, die mit Schuldverschreibungen der Banken besichert sind, seien erlaubt.
Ob diese Interpretation des Gerichts auch von den Politikern und Gerichten der anderen europäischen Länder geteilt würde, kann man allerdings infrage stellen. Um ganz sicherzugehen, dass hieraus kein neuer Streitfall entsteht, sollte die Bundesregierung ihre völkerrechtliche Erklärung zum ESM-Vertrag vorsichtshalber auch auf das Verbot der Refinanzierung des ESM bei der EZB ausdehnen. Eine solche Ergänzung wird vom Gericht nicht verlangt, doch entspräche sie nun, da das Verfassungsgericht sich eindeutig festgelegt hat, ihrer Sorgfaltspflicht. 2
Auch der letzte Satz der zitierten Passagen hat es in sich. Aus ihm folgt nicht weniger als das Verbot der Staatspapierkäufe der EZB auf dem Sekundärmarkt, mit dem das Ziel verfolgt wird, die Konditionen der Kapitalmärkte zu unterlaufen. Damit wird die Haltung der Deutschen Bundesbank im Streit mit der Mehrheit des EZB-Rates gestärkt, die sich in den Rücktritten von Bundesbankpräsident Weber und EZB-Chef-Volkswirt Stark sowie auch in dem öffentlichen Protest des neuen Bundesbankpräsidenten Weidmann in aller Deutlichkeit gezeigt hat.
In der Einschränkung, die in den Worten »auf von den Kapitalmärkten unabhängige Finanzierung der Haushalte der Mitgliedstaaten zielte« liegt, mag man eine Hintertür für die EZB vermuten. Aber es wäre spitzfindig, würde man nun versuchen, andere Gründe für die Interventionen der EZB zu erfinden, als den Versuch, die Zinsen für die Staatsfinanzierung unter das Niveau zu senken, das die Kapitalmärkte verlangen. Aussagen der Art, dass man mit den Käufen nur den geldpolitischen Transmissionsmechanismus und die Wirksamkeit der Geldpolitik sicherstellen wolle, sind nichts als vernebelnde Semantik, die das Ziel, die Zinslasten für die Krisenländer zu senken, überdecken sollen. Immer wieder haben die Staaten der Krisenländer über ihre hohen Zinsen geklagt und Maßnahmen der EZB zur Begrenzung der Zinsen verlangt. 3 Wie im ersten Kapital schon erwähnt wurde, hat
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