Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Adrians.«
»Adrian!« Sidonia stahl sich hinter dem Rücken des Vaters hervor. Claas van Berck leckte sich die Lippen. Doña Rosalia kostete den Moment ihrer Macht aus. Endlich sagte sie.
»Er ist in Köln und will dieses Haus morgen Abend aufsuchen.«
»Halleluja«, rief Claas van Berck. »Ganz Köln wird mich beneiden. Er wird die Zierde meines Festes sein, und ich kann die Verlobung verkünden. Was für eine gute Nachricht, zum Teufel noch mal!«
Doña Rosalia strafte ihn mit strengem Blick.
Claas van Berck sanken die Schultern herab. »Ich meine natürlich, prächtig, prächtig. Und, äh, lasset uns beten in meiner Hauskapelle ...«
Doña Rosalia wandte sich mit raschelnden Röcken der Tür zu. »Ich war eben auf dem Weg dorthin. Kommt, van Berck, und du auch mein Kind. Sidonia? Sidonia!«
Sidonia war bereits entschlüpft und nicht auf dem Weg in die Kapelle auf der anderen Seite des Flurs.
Claas van Berck dienerte sich an der Seite der Gräfin zur Kapelle voran: »Die Freude, Frau Gräfin, die Freude hat sie überwältigt. Sicher will sie allein einen Rosenkranz beten.«
»Oder einen Ausflug auf die Gassen unternehmen, um ihr Glück mit Fuhrknechten zu teilen.«
»Ehrwürdige Gräfin, was denkt Ihr von meiner Tochter!«, stieß Claas van Berck hervor und straffte seinen Bauch, was die eben gelöste Pluderhose ins Rutschen brachte.
Doña Rosalia wandte den Blick ab. Es war widerwärtig, dass ihr Lieblingssohn Adrian in diese Familie von Emporkömmlingen einheiraten musste. »Ich denke, dass es Sidonia an Frömmigkeit ebenso mangelt wie an Benehmen. Genau wie ihrem Bruder Lambert. Ich kann nicht garantieren, dass mein Sohn der vereinbarten Hochzeit zustimmen wird!«
Als ob es darauf ankäme, dachte Claas, während er den Bund der Pluderhose neu schnürte. Sollte die Heirat mit Adrian nicht zustande kommen, fiele dem Haus van Berck wegen Bruch des Ehevertrages der letzte Besitz der Löwensteins zu. So hatte er es mit dem klammen Grafen ausgehandelt. Die Besitzungen, die im Burgund lagen und schwer zu bewirtschaften waren, reizten van Berck allerdings weniger als der gute Name.
Lächelnd öffnete er darum der Witwe die Pforte seiner Kapelle, die Sankt Martin, dem Schutzpatron der Waffenschmiede, und dem Apostel Jakobus geweiht war. Die Heiligen flankierten die Pforte als Holzfiguren, beide trugen Miniaturschwerter aus den Werkstätten van Bercks. Ihre Gesichter waren dem des Kaufmanns nachempfunden. Schläue paarte sich darin mit Selbstbegeisterung.
»Werte Doña Rosalia, habe ich Euch schon von den Reliquien erzählt, die ich erwarte? Mein Händler muss gestern eingetroffen sein. Es wäre mir eine Freude, eine der schönsten an Euch zu übergeben. Neben dem Lehnsgut im Bergischen, das ein vortrefflicher Witwensitz wäre. Denkt nur, vierzig Fronbauern, Weingärten ...«
»Und eine eigene Kapelle?« Die Witwe verharrte auf der Schwelle zum Gebetsraum.
»Eine Kapelle mit einem auf Lebenszeit bepfründeten Diakon dazu! Er liest täglich zwei Seelenmessen für meine verstorbene Frau. Gegen eine weitere Stiftung wird er den Grafen Maximilian in seine Gebete einschließen und ihm tausende Jahre Fegefeuer ersparen.«
»Das ist nicht nötig. Für sein Seelenheil ist gesorgt«, sagte Doña Rosalia. »Mein ältester Sohn Aleander ist in Spanien ein hoher Kirchendiener, der sicher seinen Weg bis an den Kaiserhof machen wird.«
Der Kaufmann sah in ihren grauen Augen die Flamme des Hasses auflodern. Galt die Abneigung ihm, ihrem Sohn oder dem toten Grafen? Die Liebe der Weiber war unergründlich und undankbar.
6
Sidonia schüttelte im Schutz einer Flurnische den Kopf. Welche Verstellungskünste auf beiden Seiten! Sei es drum. Anpassung an die Verhältnisse hatte ihren Vater weit gebracht. Alles, was zählte, war, dass ihr Ritter auf dem Weg war!
Vielleicht konnte sie auf dem Heumarkt beim Haus der spanischen Kaufmannschaft etwas über Adrian erfahren oder wenigstens die kleine Tierbändigerin Lunetta aufspüren. Eine Gauklernummer mit Bär wäre auf dem morgigen Fest sicher nach dem Geschmack eines Ritters.
Eine Hand legte sich von hinten auf ihre Schulter und ließ sie herumfahren.
»Lambert!«
»Pssst.« Ein schlaksiger Junge mit unfertigem Gesicht legte den Zeigefinger auf seine Lippen.
»Ist Vater in der Kapelle?«
Sidonia runzelte die Stirn. »Warum willst du das wissen? Und was trägst du da unter deinem Arm?«
Lambert ließ ein blutverschmiertes Bündel hinter seinem Rücken verschwinden.
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