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Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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    Glutrot beendete eine heiße Junisonne ihren Tageslauf. Triumphierend überglänzte ihr verlöschendes Licht die Bleidächer der Kathedralen, Kirchen und Klöster, von denen es in Köln mehr gab, als das Jahr Tage hat. Selbst die Gassen der Gerber und Kadaversammler hatte sie getrocknet und den Gestank von Fäulnis mit dem Duft von Rosen gemischt. Golden verweilten letzte Strahlen auf der Westfassade des Doms, während die Rheinfront der Reichsstadt bereits im Dunkeln lag. Ein knochenweißer Mond kündigte über dem Hafen die Nacht an.
    Angeekelt raffte Sidonia van Berck ihren Rock, übersprang ein Häufchen Fischabfälle und wollte durch eine Mauerpforte in das Gewimmel am Hafen eintauchen. Am Ende des Durchgangs verstellte ihr ein Torwächter den Weg.
    »Heda, Dirne, umsonst kommst du mir um diese Stunde nicht auf den Kai! Lass ein paar Münzen springen, dann kannst du dir einen Freier suchen, den sein Hosenteufel juckt.«
    »Ich bin keine Hure. Was fällt dir ein, so mit mir zu reden!« Sidonia van Berck trat nach dem Handwerksburschen. Pah, in den Waffenschmieden ihres Vaters würde man diesen übel riechenden Gerbergesellen mit der Feuerzange verprügeln. Sie war eine reiche Bürgerstochter und keine Pfennigshure! Danach sah sie auch in ihrer Verkleidung als Magd sicher nicht aus.
    »Was auch immer du bist«, blaffte der Wächter, »wenn du in der Dämmerung am Hafen rumstrolchen willst, gib mir drei Fettmännchen. Der Nachtdienst macht durstig.«
    Johlend bekundete eine zerlumpte Vettel, die neben der Pforte auf einem Fässchen hockte, ihre Zustimmung. »Für drei Fettmännchen trinkste dich bei mir bis zur Seligkeit, guter Mann. Ich hab Bilsenkraut und ‘ne Prise Tollkirsche in mein Bier gemischt. Nun zahl schon, du Dirne, wirst das Geld mit deinen Lustäpfelchen rasch wieder eintreiben.«
    Sidonia stemmte die Arme in die Hüften. Drei Kupfermünzen waren ein lächerlicher Betrag für sie, aber hier ging es um ihre Ehre. Besser gesagt um die Ehre einer Magd. Aber nun, selbst im Kostüm einer Magd fand Sidonia sich mehr wert als drei Fettmännchen, die kleinste Kölner Münzeinheit. Bah, was für Gelichter hier herumlungerte, um Geschäfte zu treiben!
    Der Rat hatte in der Woche vor dem fünftägigen Pfingstfest die Torschlusszeiten am Hafen verlängert. Spät eintreffende Fernhändler, Pilger, Gaukler und Krämer sollten Gelegenheit haben, in der Stadt Quartier zu suchen. In Dreierreihen lagen Plattbodenschiffe, Lastkähne, Niederländer-und Oberländersegler bis in die Strömung des Flusses, bewimpelt mit Fahnen aus Ländern vom fernen Baltikum bis zum stolzen Flandern. So sicher wie der Nordpol eine Kompassnadel zogen die Schiffe die Winkelhuren genauso an wie vornehm geschminkte Liebesdamen, Bettler, Ruderknechte und heimliche Geldwechsler. Gelichter, mit dem Sidonia nichts gemein hatte. Wütend funkelte sie den Gerber an.
    »Lass mich durch. Ich bin ein anständiges Mädchen, du Lausewanz.«
    »Was willst du dann hier, Weib?« Mit scharfer Stimme unterbrach ein Kölner Stadtsoldat das Gezänk.
    Sidonia wirbelte herum und erschrak beim Anblick seiner Rüstung und der Hellebarde, die den Werkstätten ihres Vaters entstammte. Verflixt! Sie hatte doch eine Mauerpforte beim Lasthafen gewählt, um keinem der geharnischten Wächter zu begegnen, die die großen Torburgen bewachten. Warum war dieser Kerl nicht am Haupthafen hinter dem Dom auf Posten? Dort legten im Dämmerlicht Kauffahrtschiffe der Fernhändler und Koefs aus den Niederlanden an, beladen mit kostbarer Fracht für die Pfingstmärkte.
    Egal, nun war Vorsicht geboten. Sidonia zauberte einen flehenden Blick in ihre gelbgrünen Augen und zog das Kopftuch tiefer, unter dem sie ihren mit Perlen durchflochtenen rotblonden Haarkranz verbarg.
    »Guter Mann, dieser Kerl will mir den Zutritt zum Kai verwehren. Außerdem verlangt er Geld mit der Behauptung, ich sei eine, eine ...«, sie holte empört Luft, »Dirne!« Betont weinerlich setzte sie hinzu: »Darf er das? Ich bin nur eine Magd und kenne mich mit den Gesetzen nicht aus, und ...« Sidonia entrang ihrer Kehle ein Schluchzen, das ihr Zeit gab, sich eine Geschichte auszudenken, die einen Stadtsoldaten überzeugen könnte. Sie presste Tränen hervor und belauerte unter dem Vorhang ihrer Wimpern die Wirkung ihres Auftritts.
    Die war zufriedenstellend, wenn auch nicht verwunderlich. Sidonia van Berck hatte das helle Mädchengesicht einer vornehmen Tochter, die sich nur selten in die Gassen begab. Ihre

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