Die Tatarin
kann bei dem jungen Herrn Maß nehmen und ihm die Uniform liefern, sobald sie fertig ist«, antwortete er in der Hoffnung, die johlende Meute durch seine Bereitwilligkeit rasch loszuwerden.
Bahadur wurde nach vorne geschoben, und Sergej forderte ihn auf, den Mantel auszuziehen. Schirin gehorchte innerlich zitternd undstarrte wie gebannt auf den Schneider, der seine Elle zur Hand nahm und damit an ihr herumfingerte. Jetzt fliegt der Schwindel auf!, dachte sie entsetzt und wartete darauf, dass der Franzose Verdacht schöpfte und etwas sagte, das sie verriet.
Doch nichts geschah. Der Mann kam ihren flachgeschnürten Brüsten zwar nahe, schien aber nichts Ungewöhnliches zu bemerken, sondern schrieb ihre Maße auf eine Schiefertafel und fragte sie dann nach ihrem Namen. Da Schirin beharrlich schwieg, übernahm Sergej für sie die Antwort.
»Bahadur Bahadurow, Fähnrich in der Armee des Zaren!«
Die Augen des Franzosen weiteten sich vor Staunen. »Ah, das ist der junge Herr, der Seiner Majestät das Leben gerettet hat? Es ist mir eine große Ehre, für ihn zu arbeiten!« Er schien jedoch der Meinung zu sein, dass Ehre nicht satt macht, und sah den von ihm Hochgelobten fordernd an. »Wollt Ihr gleich bezahlen oder nur eine Anzahlung leisten?«
»Zahlen?« Schirin krauste die Nase, denn sie hatte nicht vor, die Münzen, die sie von Zeyna erhalten hatte, für einen russischen Rock auszugeben. Dieses Geld sollte ihr helfen, den Weg in die Heimat zu finden.
Sergej rieb sich nachdenklich die Nase. »Das ist ein Problem, denn bis zum jetzigen Tag hat Bahadur noch keinen Rubel Sold erhalten. Wie soll er da eine Uniform bezahlen können?«
»Der Tatar muss Geld haben, sonst hätten die anderen Geiseln nicht versucht, es ihm abzunehmen«, blaffte Kirilin ihn an.
»Ein paar Kopeken für Schnaps ja, aber gewiss nicht genug Rubelchen, um den Meister bezahlen zu können.«
»Er braucht aber eine Uniform!« Man konnte Kirilin ansehen, wie sehr es ihn freute, Sergej und seinen aufgeputzten Fähnrich in die Klemme gebracht zu haben. Dabei übersah er jedoch die kleinen Teufelchen, die in Stepan Raskins Augen tanzten. Der Leutnant mochte Kirilin ebenso wenig wie die meisten anderen jungen Offiziere und rieb sich unauffällig die Hände. »Da hast du vollkommenRecht, Oleg Fjodorowitsch! Ohne Uniform kann Bahadur sich wahrlich nicht mehr sehen lassen.«
Der Schneider begann zu jammern. »Aber ohne Bezahlung kann ich nicht arbeiten! Die Stoffe sind teuer, besonders in diesen schlimmen Zeiten, und auch sonst sind die Preise gestiegen. Ich weiß kaum mehr, wie ich mit meiner Familie überleben soll!«
Raskin klopfte dem mageren Männchen lachend auf die Schulter. »Keine Angst, mein Guter, du wirst dein Geld erhalten.« Für einen Augenblick nahmen die Umstehenden an, er wolle das Geld für Bahadur auslegen, doch der junge Offizier drehte sich feixend zu Kirilin um. »Da es deine Idee war, Bahadur neu einzukleiden, musst du auch dafür geradestehen.«
»Wie käme ich dazu?« Kirilin musterte Raskin wie einen Schwachsinnigen.
Die Offiziere, die nicht zur Garde des Zarewitschs gehörten, packten jedoch die günstige Gelegenheit beim Schopf, dem unbeliebten Hauptmann einen Tort antun zu können, und stimmten Stepan Raskin eifrig zu.
Kirilin wollte wutentbrannt den Schneiderladen verlassen, doch Leutnant Schischkin packte ihn am Ärmel und hielt ihn auf. »Sei kein Narr, Oleg Fjodorowitsch! Willst du, dass die gesamte Garnison von Sankt Petersburg über dich lacht?«
»Was schert mich das hiesige Soldatengesindel?« Trotz seiner großspurigen Worte wusste Kirilin, dass er selbst in die Falle geraten war, in die er Tarlow und seinen Tataren hatte manövrieren wollen. Statt sie der Lächerlichkeit preiszugeben, lief er nun selbst Gefahr, zur Spottfigur zu werden, denn wenn er sich weigerte zu zahlen, würde die üble Nachrede der anderen ihn überall hin verfolgen und vielleicht sogar seine Zukunftspläne gefährden. Machte er jedoch gute Miene zum bösen Spiel und gab die paar Rubel für die Uniform dieses Tatarenbengels aus, würde man zwar auch lachen, ihn aber gleichzeitig für einen guten Kerl halten, der einen Spaß verstand.
Also holte er mit einem, wie er hoffte, überlegenen Lächeln seineBörse hervor. »Der Tatar hat in seinem Leben gewiss noch keinen einzigen Goldrubel gesehen, geschweige denn einen besessen, und Sergej Wassiljewitsch ist als Sohn eines Ofenheizers gewiss auch nicht mit Reichtümern gesegnet. Da soll es
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