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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Wanja, der die angespannten Mienen der beiden Kontrahenten beobachtete, befürchtete schon, aus dem Übungsspiel könne bitterer Ernst werden. Als Schirin kaum noch die Kraft hatte, ihren Säbel zu halten, beendete Sergej den Kampf, in dem er sie mit einer Finte entwaffnete und die Spitze seiner Klinge an ihre Kehle hielt. Sein Lächeln wirkte durchaus erleichtert. »Nun? Gibst du dich geschlagen?«
    Schirin schielte auf ihren Säbel, der außerhalb ihrer Reichweite auf Wanjas Strohsack lag, und ließ die Schultern sinken. »Ich gebe zu, dass du mich besiegt hast, aber du bist auch um vieles stärker als ich.«
    »Kirilin ist bestimmt nicht schwächer, mein Kleiner. Du wirst lange üben müssen, um ihm gegenübertreten zu können. Deine Schnelligkeitund die Technik, die ich dir noch beibringen werde, könnten dir helfen, dich mit ihm zu messen, ohne dass er dich in Scheiben schneidet. Ich gebe zu, du hast es tatsächlich das eine oder andere Mal geschafft, mich in Bedrängnis zu bringen. Bei unserem nächsten Übungskampf solltest du dein Temperament ein wenig zügeln, denn es täte mir Leid, dir Schaden zufügen zu müssen.« In Sergejs Stimme schwang widerwillige Anerkennung mit, die Schirin wie Honig in sich aufsaugte.
    In dem Augenblick war sie froh, dass ihr Übungspartner die Waffenkünste ihres Volkes unterschätzte. Möngür Khan oder Kitzaq, der den Säbel fast noch geschickter zu führen wusste als ihr Vater, hätten Sergej schon bewiesen, dass ein Tatar besser fechten konnte als ein Russe. Aber bei einem Kampf auf Leben und Tod wäre der Hauptmann wohl für beide ein ernst zu nehmender Gegner. Sie selbst hatte den Umgang mit dem Säbel in Übungskämpfen mit jüngeren Knaben gelernt, die ihre Geschicklichkeit mit der Waffe noch bewundert hatten und gleichzeitig froh gewesen waren, dass sie weniger hart zuschlug als die fast schon erwachsenen Freunde, die sich bereits als Krieger sahen und den Kleineren gerne eine schmerzhafte Lektion erteilten. Zuletzt hatte sie den Säbel so gut beherrscht, dass sie gleichaltrigen Jungen standhalten und den einen oder andern sogar hatte besiegen können. Ein anderes Mädchen hätte dafür von ihnen Schläge bekommen, doch einer Tochter des Khans hatte man derlei Dinge durchgehen lassen, auch wenn ihre Mutter eine verachtete Sklavin gewesen war.
    Sergej räusperte sich und erinnerte sie daran, dass er eine Antwort erwartete. »Für den Anfang war es nicht schlecht, aber beim nächsten Mal muss es besser werden«, sagte Schirin, als wäre sie der Lehrer und er der Schüler, und brachte damit sowohl Sergej wie auch Wanja zum Lachen.
    Der Wachtmeister wurde jedoch rasch wieder ernst und zupfte Sergej am Ärmel. »Es gibt noch andere Probleme als die Fechtkünste unseres Tatarenprinzen, Väterchen Hauptmann. Ihr habt seit Sibirienkeinen Burschen mehr. Dürften wir zu unserem eigenen Regiment zurückkehren, hättet Ihr Euren alten Burschen nehmen oder einen anderen Soldaten dafür bestimmen können. Aber in einer Horde Steppenteufel werdet Ihr gewiss niemanden finden, der Euren Ansprüchen genügt.«
    Sergej nickte. Er war zwar gewöhnt, viele Dinge selbst zu erledigen, und Wanja war sich auch nicht zu schade anzupacken, wenn Not am Mann war, doch in einer Truppe hatte er andere Aufgaben zu erfüllen als die eines Dieners. »Wir werden uns nach einem brauchbaren Mann umsehen müssen, mein Guter. Schließlich kann ich meine Stiefel im Feld nicht selber wichsen.«
    Schirin verschluckte ein mädchenhaftes Kichern, denn genau das hatte Sergej am gestrigen Morgen getan. Irgendwie waren diese Russen schon komische Leute. Dinge, die sie im stillen Kämmerchen taten, durften um Gottes willen nicht an die Öffentlichkeit dringen. Sie amüsierte sich auch über dieses lächerliche Salutieren. Die Russen schienen den Wert eines Kriegers mehr daran zu messen, wie er seine Absätze zusammenschlug und auf den Boden stampfte, als an seiner Waffenfähigkeit. Spaßeshalber versuchte sie, den militärischen Gruß nachzuäffen, und wurde zu ihrer Verblüffung von Sergej dafür gelobt.
    »Ausgezeichnet, Bahadur! Verzeih, dass ich bislang versäumt habe, dir die wichtigsten Dinge beizubringen, die du als Fähnrich unserer glorreichen Armee beherrschen musst.«
    Schirin schluckte. »Du meinst, ich soll mich wirklich so aufführen?«
    »Aber freilich! Du wirst dich schon nicht blamieren. Ich bin froh, dass du so einen hellen Kopf auf den Schultern hast und schnell lernst.« Sergej klopfte seinem

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