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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Stell dir vor, die Schweden kämen und du wärst zu betrunken, um zu kämpfen!«
    »Aber Väterchen Hauptmann, wann war ich jemals wirklich betrunken?« Jetzt war Wanja ernsthaft beleidigt.
    Sergej rückte die Flasche trotzdem nicht mehr heraus, sondern brachte sie hinter seinem Strohsack in Sicherheit und nickte Bahadur anerkennend zu. »Die Spiegeleier schmecken besser, als wenn Wanja sie macht. Ich muss sagen, ich entdecke immer mehr Talente bei dir. Dabei dachte ich immer, bei euch Tataren würden solche Arbeiten nur von den Frauen erledigt.«
    Schirin zuckte innerlich zusammen, war aber dennoch nicht um eine Antwort verlegen. »Natürlich kochen bei uns die Weiber! Auf einem Kriegszug aber ist es die Aufgabe der jüngeren Krieger, für das Essen zu sorgen. Davon war ich als Sohn des Khans nicht ausgenommen.«
    »Hast du an vielen Kriegszügen teilgenommen?«, fragte Wanja neugierig.
    Schirin machte eine wegwerfende Geste. »An etlichen.«
    Sergej hob erstaunt den Kopf. »Warum warst du denn nicht beim Aufstand gegen uns Russen dabei?«
    Schirin verfluchte sich wegen ihrer Großmäuligkeit und rang nach einer passenden Antwort. »Nun, meine Mutter war dagegen, weil …«, sie schwieg einen kurzen Augenblick und sah dann Sergej mit einem etwas gezwungenen Lächeln an. »Ich hatte eine schwere Erkältung, und meine Mutter war der Meinung, ich sollte sie zuerst auskurieren, damit sie nicht schlimmer wird. Die Nächte in der Steppe können auch im Sommer noch verdammt kalt werden, weißt du.« Sie hoffte nur, dass Sergej nicht zu viel über die Tataren wusste, denn ein Krieger, der wegen eines Schnupfens einen Kriegszug versäumte, wurde zum Gespött des ganzen Stammes und weit darüber hinaus.
    Sergej interessierte sich jedoch nicht für die Krankheiten seines Fähnrichs. »Sag mal, Bahadur, bist du von einer russischen Sklavin oder Amme aufgezogen worden? Als du letztens so betrunken warst, hast du im Schlaf nach deiner Mamuschka gerufen.«
    Die Frage traf Schirin wie ein Pfeil aus dem Hinterhalt. Sie schnapptenach Luft und wusste für einen Augenblick nicht, was sie sagen sollte. Mühsam rang sie ihre Erregung nieder und nickte scheinbar gelassen. »Es gab im Ordu eine Russin. Sie hatte einen Narren an mir gefressen und mich ständig gehätschelt.«
    Sie wollte noch ein paar spöttische Worte hinzusetzen, um ihre angebliche Jungenhaftigkeit zu unterstreichen, aber sie brachte sie nicht über die Lippen. Vor ihrem inneren Auge erstand das Bild ihrer Mutter, und sie glaubte, deren zärtliche Arme zu fühlen. Gleichzeitig ärgerte sie sich, weil Sergej mit seiner Bemerkung ihrem Geheimnis recht nahe gekommen war. Er durfte nie erfahren, dass sie eine halbe Russin war, denn damit würde das Lügengebäude zusammenbrechen, das Zeyna und sie selbst errichtet hatten. Sie riss ein Stück Brot ab, legte ein Stück Spiegelei darauf und steckte beides in den Mund.
    »Was ist, wollen wir heute wieder mit dem Säbel üben?«, fragte sie mit vollen Backen.
    Sergej schüttelte den Kopf. »Nicht, wenn du diesen Blick zeigst. Er ist mir zu blutrünstig, und da fürchte ich um meine Haut.«
    Wanja kicherte, Schirin aber schob die Unterlippe vor, drehte den beiden Russen demonstrativ den Rücken zu und beendete stumm ihr Frühstück. Während Sergej das Quartier verließ, um warme Mäntel zu organisieren, mistete Wanja aus. Schirin scheuerte die Pfanne und wusch die Teller mit Schnee, da das letzte Wasser für die Tiere verbraucht worden war, und ging dann zu Goldfell hinüber, um ein wenig seine Mähne zu kraulen, so wie er es liebte. Nachdem sie auch ihr bettelndes Packpferd gestreichelt hatte, zog sie sich so warm an, wie es ihr möglich war, und trat ins Freie.
    Die Luft biss in die Wangen, und Füße und Hände wurden nach wenigen Schritten schon klamm, aber die Sonne brach für einen Augenblick durch die Wolken und ließ die verschneite Stadt, in der Land und Wasser unter einer dicken, weißen Decke lagen, wie verzaubert wirken. Schirin spürte mit einem Mal eine Lebensfreude, wie sie sie seit dem Verlassen ihrer Heimat nicht mehr empfundenhatte. Übermütig tollte sie durch den hüfthohen Schnee und bewarf Wanja, der ihr nach draußen gefolgt war, mit Schneebällen. Er versuchte sich zu wehren, doch sie war zu schnell für ihn. Durch die Bewegung wurde ihr warm, und sie freute sich über den schönen Wintertag, der den Nebel und die Nässe des Herbstes vergessen machte.
    Als sie nach einer Weile wieder in den Stall

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