Die Tatarin
Fähnrich fröhlich auf die Schulter.
Auch Wanja sah sehr zufrieden aus. »Söhnchen, du besitzt eine Eleganz und Geschmeidigkeit, um die dich viele andere beneiden werden. In ein paar Jahren, wenn dir ein prachtvoller Schnurrbart gewachsen ist, wirst du ein Bild von einem Offizier abgeben.«
Schirin stellte sich mit einem Schnurrbart vor und begann zu lachen. Die beiden anderen lächelten sich an, und Wanja zog seinen Tatarenprinzen mit einer freundschaftlichen Geste an sich und küsste ihn auf beide Wangen. »Ich freue mich, so einen prachtvollen Burschen wie dich kennen gelernt zu haben, Söhnchen!«
Seine Augen blickten dabei so treuherzig, dass Schirin wider Willen gerührt war und aufseufzte. Sie hatte allen Grund, Allah für Seine Güte zu danken, dass er sie zu diesen beiden Männern geführt hatte. Wäre sie anderen zugeteilt worden, zum Beispiel diesem Kirilin, hätte sie wohl einen Vorgeschmack auf die Dschehenna zu spüren bekommen. Bei dem Gedanken an den überheblichen Gardehauptmann schwor sie, sich kein zweites Mal von ihm so hereinlegen zu lassen wie am Vortag.
III.
Schirins Vorsatz löste sich bereits am gleichen Abend in blanke Wut auf, denn sie war Kirilins Bosheiten nicht gewachsen. Eigentlich hatte sie vorgehabt, Sergej diesmal nicht ins Palais Raskin zu begleiten, doch dieser hatte nicht locker gelassen. Als sie den Saal betrat, stand der Gardehauptmann scheinbar unauffällig in der Nähe der Tür, so als habe er nur darauf gewartet, seine Quälereien fortsetzen zu können.
Bei Bahadurs Anblick bleckte Kirilin die Zähne und deutete spöttisch auf ihn. »Hauptmann Tarlow, wurde dein Tatar nicht zum Fähnrich ernannt? Warum trägt er dann nicht die Uniform des Zaren, wie es sich gehört?«
Schischkin, der bei ihm stand, stimmte ihm sofort zu. »Ja! Genau! In dieser barbarischen Tracht beleidigt dieser Wilde unsere glorreiche Armee!«
Sergej maß die beiden Offiziere mit einem wütenden Blick und drehte sich zu Bahadur um. In seinen blauen Ziegenlederstiefeln, den roten Pluderhosen, der Zobelkappe und dem halblangen Mantel aus den Fellen neugeborener Lämmer, den er anstelle seines vom Kampf beschädigten trug, sah der Junge prachtvoll aus, aber eben nicht wie ein Fahnenjunker der russischen Dragoner.
Stepan Raskin, der Gastgeber, musste dem Wodka und dem Wein schon kräftig zugesprochen haben, denn seine Stimme klang bereits recht undeutlich. »Ich gebe es ungern zu, aber Kirilin hat Recht! Bahadur braucht dringend eine Uniform. So kann er nicht mehr vor dem Zaren erscheinen und auch nicht vor dem Gouverneur. Väterchen Apraxin raucht ihn in der Pfeife, wenn er ihn so sieht, sage ich euch!«
Schirin versteifte sich, und ihre Hand wanderte zum Griff des Säbels. Bevor sich ihre Finger darum schließen konnten, spürte sieSergejs festen Griff um ihr Handgelenk. »Bleibe friedlich, mein Freund! Du brauchst tatsächlich eine Uniform. Mich ärgert nur, dass ich nicht selbst daran gedacht habe.«
Bis jetzt hatte Schirin ihre tatarische Kleidung als tiefe Bindung zu ihrem wahren Selbst empfunden, als eine vertraute Hülle, mit der sie ihre Zugehörigkeit zu den Steppenvölkern Südsibiriens bewahren konnte, und nun wollten die Russen ihr auch das noch nehmen. Sie hasste diese selbstzufrieden glänzenden Gesichter um sich herum und ärgerte sich gleichzeitig, dass sie sich hatte überreden lassen, hierher zu kommen.
»Ich kenne da einen französischen Schneider ein paar Straßen weiter. Der wird unserem Tataren das richtige Fell anmessen können«, schlug Raskin vor und erhielt von den meisten Anwesenden johlenden Zuspruch.
Sergej wiegte den Kopf. Der Franzose arbeitete sehr gut, war aber entsprechend teuer. Doch Raskin, der einer wohlhabenden Familie entstammte, und seine Kameraden ließen keine Bedenken gelten, sondern hakten Bahadur unter und schleppten ihn unter Jubelrufen zur Tür hinaus. Keine fünf Minuten später quollen sie in die Nähstube des Franzosen, die die übermütigen Offiziere kaum zu fassen vermochte, und scheuchten den Meister von seiner Arbeit auf.
Raskin stellte sich großspurig vor den sichtlich verärgerten Mann. »Wir brauchen eine Uniform für unseren tatarischen Freund, mein Guter, und zwar rasch!«
Der Schneider hatte schnell erfasst, dass die meisten Offiziere betrunken und damit unzurechnungsfähig waren, und bekam es mit der Angst zu tun, sie könnten ihm, wenn er ihnen nicht zu Willen war, die Werkstatt und die darüber liegende Wohnung zerschlagen. »Ich
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