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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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mir auf die paar Rubel für eine Uniform nicht ankommen.«
    Sein Tonfall ließ Raskin Stacheln wachsen. Der Leutnant zwinkerte seinen Freunden mit wahrer Lausbubenmiene zu und baute sich vor Kirilin auf. »Mit einer Uniform ist es aber nicht getan, Oleg Fjodorowitsch. Bahadur braucht noch eine Galauniform für Paraden und Empfänge sowie mindestens zwei Felduniformen. Das meint ihr doch auch, Kameraden?«
    »Ja, die braucht er!«, stimmte ihm sein Busenfreund Semjon Tirenko voller Eifer zu.
    Kirilin schwankte zwischen dem Wunsch, die beiden vor seine Klinge zu fordern, und dem Drang, ihnen gleich ein paar kräftige Ohrfeigen zu geben. Das lauter werdende Murmeln der anderen Offiziere und ihre schadenfrohen Blicke zeigten ihm jedoch, dass er allein gegen alle stehen würde, denn die drei Leutnants, die der Garde angehörten, machten Miene, sich aus allem herauszuhalten.
    »Zahle und denke dir deinen Teil, Oleg Fjodorowitsch«, flüsterte Schischkin ihm überflüssigerweise zu.
    Einen Augenblick kämpfte Kirilin mit sich, dann zählte er die Summe auf den Tisch, die ihm der Schneider nach kurzem Überlegen nannte, und stürmte zornglühend zur Tür hinaus. Schischkin folgte ihm auf dem Fuß und hielt ihn draußen auf.
    »Du bist ein Narr, Oleg Fjodorowitsch! Was musstest du die Leute auch so reizen? Alle haben den Eindruck gewonnen, du wolltest dich unbedingt mit diesem lächerlichen Tatarenbürschchen anlegen, nachdem es letztens mit Tarlow nicht geklappt hat. Bei Gott und der Heiligen Jungfrau von Kasan, wenn du mich einen elenden Knabenstecher genannt hättest, wäre ich auf der Stelle mit dem Säbel auf dich losgegangen, ganz gleich, ob es das Gesetz des Zaren verbietet oder nicht.«
    »Im Gegensatz zu diesem Ofenheizersbalg bist du ein Mann von Adel und weißt, was du deiner Ehre schuldig bist. Der Kerl aber …« Kirilin brach ab und knirschte mit den Zähnen. »Der Tatar ist mir vollkommen egal, Ilja Pawlowitsch. Ich wollte Tarlow treffen und ihn so weit reizen, dass er sich vergisst und mich angreift. Dann hätte ich ihm ungestraft den Schädel spalten können.«
    »Warum? Nur weil er der Sohn eines Dienstboten ist?«, fragte Schischkin verwundert.
    Kirilin schüttelte wütend den Kopf. »Nein, wegen der Sache in Sibirien! Er hat diesen verdammten Steppenoberst Mendartschuk dazu gebracht, meinen Anteil an der Niederschlagung des Aufstands unter den Tisch fallen zu lassen und den seinen über jedes Maß zu erhöhen. Warum, glaubst du, hat der Zar den Kerl hier in Sankt Petersburg beinahe wie einen lieb gewonnenen Freund empfangen?«
    »Was der nächste Zar gewiss nicht tun wird! Alexej Petrowitsch wird dich in seine Arme schließen, Oleg Fjodorowitsch. Warum willst du dich mit diesem Pöbel abgeben? Denke lieber an die Zukunft, die für uns golden am Horizont aufsteigt! Mit dem Stern Pjotr Romanows wird auch der dieses Hauptmanns Tarlow und der anderen Sklavenbälger fallen, auf die der jetzige Zar sich stützt.«
    »Dieser Schweinehund von einem Ofenheizersbalg hat mich eben etliche blanke Rubel gekostet!«, stieß Kirilin giftig hervor.
    Sein Freund schlang lachend den Arm um ihn. »Wenn Alexej Petrowitsch erst einmal Zar ist, werden wir im Reichtum schwimmen. Da kommt es auf die paar Rubelchen wirklich nicht an.«
    »Dennoch werde ich es Tarlow persönlich heimzahlen und seinem tatarischen Bettwärmer gleich mit, das schwöre ich dir!«

IV.
    Kirilin kam vorerst nicht dazu, sich an Sergej zu rächen, denn am nächsten Morgen brach der Zarewitsch, der auf Befehl seines Vaters in Sankt Petersburg bleiben sollte, um Fürst Apraxin zu unterstützen, völlig überraschend nach Moskau auf. Wie es hieß, konnte er den von Nordosten heranfegenden Eiswind nicht ertragen, der seit ein paar Tagen in jeden Winkel der Häuser pfiff. Er ließ seinen Getreuen kaum mehr als eine Stunde Zeit, alles für die Reise vorzubereiten, aber trotz dieser Eile erfuhr Apraxin von den Plänen des Thronfolgers und bat ihn durch einen Boten zu einem Gespräch. Alexej Petrowitsch kümmerte sich jedoch nicht um den Vertrauten seines Vaters, sondern stieg in die Kutsche und gab den Befehl zur Abfahrt, so dass dem Gouverneur nichts anderes übrig blieb, als hinter dem Thronfolger herzureiten. Als Apraxin in die Stadt zurückkehrte, war sein Gesicht weiß vor Wut, doch niemand aus seiner Umgebung erfuhr von dem Inhalt des Gesprächs, das er dem Zarewitsch aufgezwungen hatte.
    Für die Zurückgebliebenen änderte sich durch die Abreise Alexej

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