Die Tatarin
das dichteste Getümmel werfen, und sie wusste, wie hart die Schweden kämpften, mochten sie auch hungrig und schlecht ausgerüstet sein.
X.
Sergej und seine Reiter hatten von dem Dörfchen Rybzy aus das schwedische Lager unter Beobachtung gehalten, und doch wäre es diesen beinahe gelungen, sie zu übertölpeln. Als die feindlichen Grenadiere auf sie zustürmten, erwarteten sie ein kleineres Scharmützel, doch schon bald mussten sie erkennen, dass sie keine Streifschar vor sich hatten, sondern Tausende von Soldaten, die im festen Schritt vorwärts marschierten. Die Männer sahen abgerissen aus, dennoch erinnerten sie Sergej fatal an die Schlacht an der Narwa, und er spürte, wie sein Herz schmerzhaft gegen den Brustkorb hämmerte. Die Angst, die ihn seit damals nie verlassen hatte, schlug ihre hässlichen Krallen in jeden seiner Gedanken, und er sehnte sich nur noch danach, auf seinen Moschka zu springen und zu reiten, bis der Wallach unter ihm zusammenbrach.
»Wir müssen uns zurückziehen, Hauptmann. Es sind zu viele!« Erst Kitzaqs Stimme brachte Sergej wieder zur Vernunft. Er schüttelte sich wie ein nasser Hund, starrte mit brennenden Augen auf die blaue Wand, die wie ein Verhängnis auf sie zukam, und nickte.
»Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig.« Noch während er sich auf Moschka schwang und seinen Männern zurief, ihm zu folgen, suchte sein Blick Semjon Tirenko. »Reite, so rasch du kannst, zu den Schanzen und gib Alarm. Sag, die ganze schwedische Armee folgt uns auf dem Fuß!«
Der Leutnant nickte und spornte sein Pferd an. Sergej kämpfte gegen den Drang an, ihm ebenso rasch zu folgen, besiegte ihn schließlich und gab seinen Leuten Befehl, aus ihren Karabinern eine Salve gegen die vordersten Schweden abzugeben. Er selbst feuerte seine Pistole ab, obwohl die Entfernung noch viel zu groß dafür war, und fühlte sich danach viel besser.
Einige wenige Schweden fielen unter den Schüssen, dann machtedie vorderste Linie Halt, kniete nieder und richtete die Musketen auf Sergej und seine Reiter.
»Nichts wie weg!«, rief er und riss Moschka herum. Die schwedische Salve klang um einiges lauter als die eigenen Schüsse, und er sah, wie sich um ihn herum Sättel leerten und Pferde mit klagendem Wiehern zusammenbrachen.
Der Rückzug der Steppenreiter kam bei der ersten russischen Schanze zum Stehen. Sergej erkannte mit raschem Blick, dass die Reihen der Verteidiger noch Lücken aufwiesen, und befahl seinen Leuten, ihnen beizustehen. Ihre Karabiner trugen zwar nicht so weit wie die Musketen der Grenadiere, dafür aber trafen die Kalmücken besser als die russischen Rekruten, denen angesichts der Feinde die Hände zitterten. Schon bald war abzusehen, dass diese Schanze nicht zu halten sein würde, und Sergej leitete mit den hier verantwortlichen Offizieren den Rückzug zur nächsten Schanze ein.
Ein Major starrte Sergej panikerfüllt an. »Das ist Roos’ Brigade, harte Kerle aus Schweden, die geben erst auf, wenn sie tot sind.«
Sergej entblößte seine Zähne zu etwas, das einem Lachen ähnlich kommen sollte. »Dann werden wir sie bis auf den letzten Mann niedermachen!« Das war als Aufmunterung gedacht, doch der Major zitterte so, als wären die Schweden schon über ihnen.
Die Russen wichen langsam zurück, während Lewenhaupts und Rehnskjölds Kolonnen ihre Schanzen einfach umgingen, um das Hauptlager des Zaren anzugreifen. Die Männer konnten nichts dagegen tun, denn sie mussten sich gegen den Ansturm der Roos’schen Grenadiere stemmen. Zum Glück griffen nun die eigenen Geschütze in das Gefecht ein, während die Artillerie der Schweden kaum zu vernehmen war. Carls Artilleristen wagten anscheinend nicht, das wenige Pulver, das ihnen verblieben war, schon zu Beginn der Schlacht zu verschießen. Auch das Musketenfeuer der Schweden klang bei weitem nicht so heftig, wie man es sonst von ihnen gewohnt war. Viele von ihnen marschierten mit gefälltem Bajonett, ohne auch nur einen Schuss abzugeben.
Für die Russen erschienen sie dennoch wie Höllenteufel, die, so oft sie auch getroffen wurden, wieder aufstanden und weitermarschierten. Selbst Sergej hatte Mühe, einen klaren Kopf zu behalten und die Verluste der Schweden abzuschätzen, da sich deren Reihen sofort wieder schlossen. Sein Verstand sagte ihm, dass der Feind fürchterlich blutete, doch seine Ängste spiegelten ihm ein unbesiegbares Ungeheuer vor, das sie bald überrollen und zerschmettern würde.
Sergejs Leute und die Verteidiger der
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