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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Nadel war nicht richtig befestigt.« Sie legte das Schmuckstück und die anderen Kleinigkeiten vorsichtig wieder in den Beutel zurück und gab ihn Betty. »War das ein Geschenk von Mister Jocelyn? Ich habe solch eine Spange schon einmal bei ihm gesehen!«

    Betty nahm ihr die Tasche aus der Hand und band sie sich um die Taille. »Lass uns gehen. Wir versuchen es.«
    Obwohl es draußen bereits finster war, standen die Tore des Hofes noch immer weit offen. Die Fackeln waren bereits angezündet und tauchten den Innenhof in ein flackerndes Licht. Die beiden Ochsen standen aufmerksam vor ihrem Karren, der offenbar mit dem Tee beladen war. Unter einem der roten Abdecktücher schimmerte eines der Pakete hervor. Und es duftete nach Tee. Die Türen zu den Räumen der Dienstboten und zu den Ställen standen offen. Aber der kleine Platz war menschenleer.
    »Hier stimmt irgendetwas nicht«, flüsterte Sikki.
    Betty hielt sich dicht hinter ihr. Gemeinsam schlichen sie im Schatten der Wand entlang. »Es ist seltsam, dass sie ihren Ochsenkarren mit dem ganzen Tee hier unbewacht stehen lassen.«
    »Ganz und gar nicht.« Sikki hielt sie mit einer Hand zurück und spähte um eine Ecke. Ein riesiger schwarzer Falter taumelte ihnen entgegen. »Das zeigt nur, dass diese Leute keine Angst haben und dass sie glauben, niemand würde es wagen, sie zu bestehlen. Wirklich eigenartig sind nur die Ochsen. Schauen Sie sich diese riesigen Tiere nur einmal an. Das sind doch keine gewöhnlichen Arbeitsochsen.«
    »Vielleicht sind chinesische Ochsen einfach größer als indische?« Betty versuchte, die beiden dunklen großen Tiere abzuschätzen. Für sie sahen sie eigentlich ganz normal aus.
    »Nein!«, zischte Sikki zurück. »Alle Ochsen lassen abends den Kopf hängen und sehen aus, als ob sie aus Stein sind und sich keinen Deut von der Stelle bewegen wollen. Diese hier aber sind ausgeruht und wirken so, als ob sie gleich von selbst loszuckeln wollten. Vielleicht sollten wir es wirklich einmal mit ihnen probieren.«

    Im Schutze der Mauer warteten sie, ob sich vielleicht noch einer der Diener nähern würde, aber niemand schien sich für die Ochsen zu interessieren. »Vielleicht sind sie beim Abendgebet?«, vermutete Betty. »Es sind doch Buddhisten.«
    Sikki schüttelte den Kopf. »Dann würde man die Gebetsmühlen hören. Aber hier sirren ja nicht einmal die Grillen. Es ist unheimlich!«
    Sie spähten noch ein letztes Mal über den Hofplatz, dann rafften sie ihre Gewänder und liefen gemeinsam los. Wenn nur kein Stein vor dem Rad liegt, dachte Betty, als sie den Kutschbock erklommen hatte. Sikki schwang sich gerade auf der andern Seite hinauf, als die beiden Ochsen sich bereits in Bewegung setzten. Sie senkten die Köpfe, ohne dass Betty die Peitsche hätte gebrauchen müssen, dann schnaubten sie wie zwei Brauereipferde und stoben plötzlich los. Sie stampften zum Tor hinaus auf den Weg und hatten einen Moment später das Landhaus bereits so weit hinter sich gelassen, dass sie die Schreie der Diener nur noch aus weiter Entfernung hörten und sie kurze Zeit später überhaupt nicht mehr ausmachen konnten.
    Der Kutschbock war aus glattem Holz und leicht abschüs sig. Betty hielt sich mit aller Kraft daran fest, die Zügel waren ihr schon nach wenigen Metern aus der Hand gefahren. Sikki klammerte sich an ihre Herrin und jammerte leise vor sich hin.
    »Na, ist das vielleicht der Zuckeltrab der Ochsen?«, rief Betty. Der Wind spielte in ihren Haaren, und sie hatte mit einem Male das Gefühl, dass sie es schaffen könnte, den Tee zu behalten.
    »Ich hoffe, die Ochsen kennen den Weg!«, kreischte Sikki. »Und ich hoffe, dass sie nicht in dieser Geschwindigkeit weiterrennen. Ich kann mich nicht mehr festhalten!«
    »Doch, du kannst es!«, antwortete Betty. Ihre Handgelenke
schmerzten wie Feuer, und ihre Finger, die sich um das Holz des Kutschbocks klammerten, fühlte sie schon fast nicht mehr.
    Der Weg wurde breiter und breiter. Erst als ihnen ein anderes Gefährt, eine kleine Sänfte, die von vier Chinesen mit runden schwarzen Hüten getragen wurde, den mondbeschienenen Weg entgegenkam, fielen die Ochsen wieder in Schritt und taten das, was sie nach Sikkis Meinung schon während der vergangenen Stunde hätten tun sollen - sie zuckelten dahin, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Betty rieb sich die schmerzenden Hände und versuchte an den fulminanten Hinterteilen der Ochsen vorbei die Zügel zu entdecken. Schleiften sie nicht irgendwo im

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