Die Teeprinzessin
hat.« Wieder erklang das helle Lachen. »Als Mädchen sind Sie ganz und gar rührend, das möchte ich Ihnen einmal sagen. Aber als Teehändlerin wären Sie von einer nicht zu überbietenden Tölpelhaftigkeit. 23 Kisten so weit unter Preis verschleudern zu wollen? Nein, das kann ich nicht zulassen. Was sollen meine Leute von mir denken? Es ist im Übrigen nicht tugendhaft, ein schlechtes Geschäft machen zu wollen, es verhöhnt die Götter und es dient niemandem.«
Betty sah, wie sie sich nun mit einer Hand an der Platte ihres Schreibtisches abstützte. War es möglich, dass sie sogar leicht taumelte?
»Meine Leute haben Sie vor den Taiping gerettet, nachdem Sie eine Straftat begangen haben. Damit haben Sie bereits mehr erhalten, als Sie jemals hoffen durften. Morgen Mittag fährt mein Diener in die Stadt und liefert den Tee an einen Agenten aus.« Sie machte eine Pause, und Betty hörte ihren Atem, der so leicht und sanft war wie ein Frühlingshauch. »Ich werde mich in den kommenden Tagen über einen Mittelsmann bei den Taiping erkundigen, ob Sie sonst noch etwas auf dem Kerbholz haben. Falls ja, werden wir Sie den Taiping zurückgeben, damit sie Sie auf ihre Art bestrafen können. Falls nein, dürfen Sie und Ihre Dienerin als Dank für unsere Befreiungsaktion gern einige Monate in diesem Hause arbeiten.« Sie atmete hörbar durch die Nase ein. »Wir halten es für wichtig, dass das Geben und das Nehmen in Harmonie zueinander stehen.
Vielleicht machen Sie sich einmal an unsere Fußböden heran. Was Sie über das billige Wachs gesagt haben, hat mich sehr beeindruckt. Ich möchte gern einmal sehen, wie sich die Böden nach Ihrer Fasson pflegen lassen.«
»Dafür haben Sie uns befreit?«
Die Dame Sahing lachte wieder. Dieses Mal aber klang es fast boshaft. »Ich wollte wissen, woher dieser Tee stammt und was es mit ihm auf sich hat. Das weiß ich ja nun. Sie langweilen mich jetzt und Ihr Tee tut es auch.«
»Aber...« Betty wollte weitere Argumente ausbreiten, doch die Dame Sahing war bereits auf ihren kleinen Füßen zur Tür gestöckelt und hatte den Raum gleich darauf verlassen.
5
»Sikki, wach auf, bitte, Sikki!« Betty rüttelte an Sikkis Schulter. »Bitte, mach die Augen auf.«
Sikki murmelte etwas im Schlaf, dann fuhr sie plötzlich hoch und riss die Augen weit auf.
Betty legte ihr beruhigend die Hand auf die Stirn. »Ich schaffe es nicht, zu Bajung durchzudringen, obwohl ich sicher bin, dass es ihn gibt.« Sie zögerte. »Hier ist niemand, der uns helfen kann. Sie wollen uns gefangen halten und wir sollen hier für sie sauber machen.«
Sikki schlug die Hände vors Gesicht. »Ich habe Angst«, presste sie hervor. »Und ich kann nicht sauber machen. Ich bin eine Dienerin für das Baden und für die guten Gespräche mit der Dame.«
»Nun beruhige dich wieder.« Betty strich ihr vorsichtig die verschwitzten Haare aus dem Gesicht. »Vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit für uns. Unten im Hof beladen sie einen
Ochsenkarren mit unserem Tee, die Tore sind noch nicht geschlossen. Beeil dich, wir könnten vielleicht versuchen, den Diener abzulenken und den Karren mit dem Tee zu stehlen!«
Sikki riss ihre Augen noch weiter auf. »Die Dame Sahing wird uns töten lassen, wenn wir etwas stehlen.« Sie schien ein Schluchzen zu unterdrücken. »Und was glauben Sie, wie weit wir mit einem Ochsenkarren kämen? Ein Ochse ist kein Pferd. Ochsen zuckeln und zuckeln...« Sikki wiegte sich in dem langsamen Schritt, der den Ochsen angeblich zu eigen war.
»Hör auf damit. Ich weiß, wie Ochsen sich bewegen. Wir haben nur diese eine Möglichkeit! Schließlich können wir den Tee nicht tragen.«
»Und wenn sie uns töten?«
Betty antwortete nicht. Sie suchte in ihrem Beutel nach den Silbermünzen, die ihr Anton damals mitgegeben hatte, und zu ihrem großen Erstaunen fand sie sie noch vollzählig. »Au!« Sie zuckte mit der Hand zurück und ließ den Beutel auf den Boden fallen. Wie konnte sie nur so dumm sein, mit der Hand in den Beutel zu fahren, obwohl sie doch wusste, dass es hier Skorpione gab? War sie vielleicht gestochen worden? Schlug ihr Herz bereits schneller?
Sikki nahm ihr den Beutel entschlossen aus der Hand und schüttete den Inhalt auf die Liege. Dann nahm sie lächelnd die Haarspange mit dem Hasen in die Hand und hielt ihn in die Höhe. Die Nadel war nicht verschlossen. An ihr hatte Betty sich gestochen. Der blaue Stein schimmerte im Mondlicht, als würde er von innen heraus strahlen. »Die
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