Die Teeprinzessin
letztes Jahr schon, die war leider schnell abgängig. Und auch die Frau vom Milchmann heißt Betty. Dich können wir also nicht auch noch so nennen, das ist mir zu umständlich. Ab jetzt bist du Berta. Verstanden, Berta? Fenja wird dir deinen Strohsack zeigen. Morgen früh hilfst du ihr um fünf Uhr, Feuer zu machen. Du gehst drei Tage lang mit ihr mit, dann bekommst du deine eigene Arbeit. Wird schon ans Licht kommen, was du kannst. Du wirst dich sechs Wochen lang einarbeiten, im ersten Jahr bekommst du einen Lohn von 10 Schilling im Monat. Das werde ich dann bald mit der gnädigen Frau besprechen. Ihr redet nicht mit den Herrschaften, nur danke und Guten Tag, das reicht. Und immer schön tief knicksen. Ich bin übrigens Frau Meier, ganz einfach zu merken. Was Frau Meier sagt, wird getan, und zwar ganz ohne Widerworte. Und nun sag bitte: Ja, gern, Frau Meier.«
Betty hatte die ganze Zeit lang zugehört und sich überlegt, ob sie dieses Abenteuer und die Verwechslung wohl später mit einem Hauch von Amüsement würde erzählen können. Ob sie
Anton bald wiedersehen würde? Anton würde sich kugeln vor Lachen, wenn sie ihm von ihrem Ausflug in den Dienstbotenkeller des fremden Hauses erzählte, da war sie sich ganz sicher. Und natürlich würde sie ihm auch seinen kühlen Brief verzeihen. Plötzlich konnte Betty es gar nicht mehr ertragen, ihn nicht bald zu sehen.
»Ich warte«, schnarrte Frau Meier.
»Ich auch!«, stieß Betty hervor. »Bitte bringen Sie mich sofort zu Frau Tollhoff! Sie erwartet mich!«
Die Alte, die sich Frau Meier nannte, schnappte nach Luft. Sie hob drohend eine Hand, und es war ihr deutlich anzumerken, dass sie es gewohnt war, sie zu gebrauchen. »Berta, du gehst sofort schlafen!«, keifte sie. »Ich dulde nicht, dass die Mädchen derartig überspannt sind. Morgen um fünf machst du hier mit Fenja Feuer. Und wehe, ihr nehmt zu viele Späne. Späne sind teuer. Gute Nacht!« Sie atmete noch einmal hörbar durch die Nase ein, dann rauschte sie hinaus und stapfte kurze Zeit später die Stiege hinauf, die an der Längsseite des Raumes begann.
Fenja lächelte Betty zu. »Keine Sorge, das mit dem Feuer kriegen wir schon hin. Die Arbeit ist hier auch nicht schwerer als anderswo. Hattest du schon mal eine Stellung? Du siehst noch so jung aus.«
Betty stand unschlüssig im Raum. Am besten, sie ginge jetzt allein in die oberen Etagen und suchte die Dame des Hau ses. Bestimmt würde sich das Missverständnis sofort aufklären. Offenbar war es ja so, dass sich ihre Ankunft mit der eines Hausmädchens überschnitt. Das kam sicher alles nur daher, dass sie erst so spät am Abend in Hamburg eingetroffen war. Betty hatte beschlossen, den Tollhoffs zu vergeben, bevor sie sie überhaupt kennengelernt hatte.
Fenja sah sie immer noch fragend an. »Mensch, Kindchen, du bist ein bisschen durcheinander, oder? Setz dich hin. Ich
kann dir einen Tee machen, ich weiß, wo die Alte den Schlüssel von der Teekiste hat. Und du musst auch nicht befürchten, dass sie aufwacht. Sie nimmt abends immer einen Kräutersaft und schläft dann wie ein Stein!« Fenja lachte fröhlich. »Schade, dass die anderen heute Abend nicht da sind. Sie müssen bei Remburgs aushelfen, da sind immer so viele Gesellschaften, das dauert meist die halbe Nacht. Die gnädige Frau ist ja eine geborene Remburg, die hilft ihrem Bruder schon mal mit Personal aus. Nur ich musste heute nicht mit, weil ich so getan habe, als wäre ich erkältet. Wir dürfen nicht husten, das würde unseren Ruf schädigen. Der gnädige Herr ist doch ein berühmter Pelzhändler.«
»Aber ich muss doch wenigstens Frau Tollhoff guten Abend sagen«, beharrte Betty. »Bestimmt sind die Tollhoffs schon in Sorge um mich. Sie erwarten mich als ihre Haustochter.«
Fenja hatte eine Kanne aus einem der Schränke geholt, nun stellte sie die schwere Teekiste auf den Tisch und nestelte das Schloss auf. »Hier hat die Alte den Tee versteckt. Sie zwackt ihn bei den Herrschaften ab. Das macht sie so gründlich, dass sie selbst nicht genau weiß, wie viel noch in der Kiste ist.« Sie lächelte Betty zu. »Wenn das wirklich stimmt mit diesem ganzen Haustochter-Kram, dann kannst du das auch noch morgen sagen. Aber jetzt schlafen die Herrschaften bestimmt schon. Und es ist sowieso besser, wenn du nicht selbst mit ihnen redest, glaub mir.«
Betty sank erschöpft auf einen der Holzstühle. Die Aussicht auf eine Tasse Tee machte sie plötzlich ganz ruhig. Und es war schließlich nichts
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