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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Pannfisch, bückte sich nach ihrer Tasche und stakste im nächsten Augenblick durch die Menschenmenge.

    Betty konnte es nicht fassen. War es möglich, dass Frau Pannfisch sie wirklich hier absetzte und sich nicht weiter um sie kümmerte? Betty drehte sich einmal um die eigene Achse. Wo ging es zum Stadttor? Aus welcher Richtung waren sie gekommen? Momente später fuhr ein Brauereiwagen mit einem Ruck voran und gab den Blick auf die Droschken frei. Betty sah noch, wie Frau Pannfisch eine der Kutschen umrundete, dann verschwand sie endgültig im Straßengewirr.
    Betty schluckte. Es war keine Angst, die sie fühlte. Eher eine schwere Taubheit. Sie kannte sich hier nicht aus. Wie sollte sie zu den Tollhoffs kommen? Ob sie einfach den Hügel hinauflaufen und da oben jemanden ansprechen sollte? Es war wohl die Erschöpfung von der langen Reise, die sie so müde machte. Zudem brannte der Durst in ihrer Kehle. Ihre kleine Wasserflasche hatte sie schon in Hannover geleert. Zwei seltsame bunt gekleidete Damen mit tiefem höfischen Dekolleté und bauschigen Volants an den Kleidersäumen wuchteten ihre schweren Taschen an ihr vorbei und rissen sie dabei fast zu Boden. »Hey, pass doch auf!«, schrie die eine und bückte sich nach ihrem Hut. Betty schüttelte den Kopf. Benahm sich so eine Dame?
    »Bist du ganz alleine hier?« Eine Hand zupfte an ihrer Jacke. »Du kennst dich hier nicht aus, oder? Das merkt man dir aber sehr an. Das ist nicht gut. Du musst so tun wie eine Hamburgerin. Hier gibt es viele Diebe!« Betty blickte nach unten und sah in das runde Gesicht eines kleinen Jungen mit wuscheligem Haar. Sie schätzte ihn auf acht, höchstens neun Jahre.
    Er reckte das Kinn hoch und grinste. »So musst du schauen. Das Kinn hoch und die Mundwinkel herunter! Dann halten sie dich für eine junge Dame.«
    »Und du bist der allerkleinste von den Dieben, oder?« Betty musste lächeln. Der Junge sah hübsch aus und er hatte ein
freundliches offenes Gesicht. Ein wenig erinnerte er Betty an Anton, obwohl der Junge natürlich noch sehr klein war und obwohl Anton niemals so mollig gewesen war. Seine braune Hose mit den leinenen Hosenträgern und das blaue Hemd waren verschossen, aber sauber. Immerhin trug er an diesem warmen Frühlingstag Schuhe. Da, wo Betty herkam, taten das die wenigsten der armen Kinder.
    Der Junge lächelte zurück. »Ich bin Didi. Ich bin aus Schwaben. Wir fahren bald alle nach Amerika, mein Vater ist Bonbonkocher und ich habe vier kleine Geschwister! Maria und Grete sind sogar Zwillinge! In Amerika werden wir unser Glück machen.« Er sah sie an, als ob er dafür gelobt werden wolle.
    Betty nickte, hielt aber ihre Tasche trotzdem eisern fest. »Ich bin Betty«, sagte sie dann. »Ich werde hier als Haustochter bei einer Kaufmannsfamilie wohnen!« Es war das erste Mal, dass ihr der Satz über die Lippen kam. Er klang gut, fand sie. Fast war sie ein bisschen stolz darauf. Jetzt musste sie nur noch das Haus der Tollhoffs finden. Sie reckte ihr Kinn gleich ein wenig höher. Wie hieß die Straße? Cremon? Was für ein eigentümlicher Name. Und welche Hausnummer war es noch? Sie entfaltete den Zettel und zeigte ihn Didi. Es war nun fast dunkel. Die Tollhoffs waren sicherlich schon in Sorge um sie. Sie würde sich beeilen müssen.
    »Du bist eine Haustochter?« Didi gab ihr den Zettel zurück und sah sie groß an. »Und was kannst du? Mein Vater sagt, dass man etwas können muss!«
    Betty lachte. »Ich glaube, ich kann alles!« Sie zögerte. Was redete sie da nur? »Aber ich weiß nicht alles!«, fuhr sie fort. »Du musst mir helfen. Weißt du vielleicht, wo die Straße Cremon ist?«
    Didi nickte. »Das ist eine von den schönen neuen Straßen, da wohnen viele reiche Leute. Es ist nicht sehr weit. Aber man
muss durch eines der Gängeviertel durch. Wenn du für mich die Torsperre mitbezahlst, kann ich dich hinführen. Ich muss auch schnell heim.«
    Betty lachte auf. »Und wenn ich dir keine vier Schillinge dafür gebe, wie kommst du dann nach Hause?«
    Didi zuckte die Schultern und sah sie treuherzig an. »Dann denke ich ganz fest an meine Mutter, denn sie hilft mir in jeder Not!«, antwortete Didi.
    Betty legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Sie wird bestimmt mit dir schimpfen, dass du so spät noch draußen herumläufst!« Betty kannte sich zwar mit der großen Stadt noch nicht aus, aber dass ein kleiner Junge wie Didi in der Dunkelheit zwischen den Buden der Händler und dem immer lauter werdenden Volk herumirren

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