Die Teeprinzessin
das Feuer nicht pünktlich anbekommen, wird die alte Meier wild! Das willst du bestimmt nicht erleben. Auch nicht als Haustochter!« Fenja schien sich köstlich über sie zu amüsieren, aber ihre kleinen Neckereien waren in keiner Weise boshaft.
Betty hätte sich noch stundenlang mit Fenja unterhalten können. Unterdessen war sie allerdings so müde, dass ihr fast schon die Augen zufielen. Fenja kicherte. »Nun bringen wir dich mal lieber schnell auf deine Bettstatt, du kleine Haustochter, oder wie du dich nennst«, zwitscherte sie und zog Betty an den Armen auf die Füße. Dann schob sie sie vor sich her in einen anderen Raum. Betty leistete keinen Widerstand. Seltsamerweise war es kühl hier unten, viel kühler als in der großen Küche. Die Wände strahlten fast eine eisige Kälte aus, obwohl sie trocken zu sein schienen - zumindest roch die Luft nicht schimmelig.
Betty spürte kaum noch, wo sie war. Sie sah den fensterlosen schummrigen Raum, in dem sechs oder sieben kattunbezogene Strohsäcke und eine Anzahl bunter Filzdecken lagen, und sank auf den hinteren Strohsack, zu dem Fenja sie hin dirigiert hatte. Als ihr die Augen schon zugefallen waren, spürte sie noch, wie
jemand ihr die Schuhe von den Füßen streifte und ihr eine der harten Decken bis ans Kinn zog. Morgen würde sie oben im Haus schlafen. Unter einem weiß bezogenen Plumeau. Und ihr Kopf würde auf einem Federkissen ruhen. Daran glaubte sie fest. Aber heute war sie so müde wie nie zuvor.
2
Als Betty erwachte, hatte sie nicht das Gefühl, dass es schon Morgen war. Der Raum lag in fast völligem Dunkel, nur in einer Ecke miefte ein Talglicht vor sich hin und warf flackernde Schatten an die Wände. Betty setzte sich auf ihrem Strohsack auf und rieb sich die Augen.
Fenjas Stimme war ganz aufgeregt. »Schnell, steh auf, die gnädige Frau will dich sehen. Du musst dir vorher noch die Haare richten, und, hier, du musst die Tracht anziehen. Das Kleid und die Schürze hat der anderen Betty gehört, die wir hier mal hatten, aber ich hab sie gewaschen, und ich denke, dass die Größe passen könnte.« Fenja legte ein schweres Bündel Kleider auf Bettys Beine. »Ach ja, und das Feuer hab ich eben schon angemacht. Du hast geschlafen wie ein Murmeltier, da wollte ich dich nicht wecken.«
Betty schob sie von sich weg, stand auf und schlüpfte in ihre Schuhe. »Danke, Fenja, aber das hast du wohl nicht richtig verstanden. Ich bleibe ja nicht hier unten bei euch. Ich werde weiterhin meine eigenen Kleider tragen.«
Fenja blickte sie erschrocken an.
»Entschuldige, ich hab das nicht böse gemeint.« Betty seufzte. Besonders hübsch war das dicke Reisekostüm zwar nicht mehr, aber um Frau Tollhoff zu begrüßen, war es bestimmt genau richtig. Betty öffnete ihre Reisetasche, die offenbar unberührt auf
dem Boden stand, und holte einen schmalen Silberkamm heraus.
»Donnerlittchen, ist der aber schön!«, rief Fenja. »Das ist doch kein poliertes Blech, oder? Ist das ganz echtes Silber?« Sie war vor Aufregung ganz rot geworden.
Betty fuhr sich mit dem Kamm durch die Haare, steckte die beiden schmalen Spangen wieder fest und reichte Fenja den Kamm. »Du kannst dich gern damit kämmen, wenn du willst. Du kannst ihn mir dann wiedergeben, wenn ich nachher meine Tasche nach oben hole!« Oder war es in einem so feinen Haus vielleicht eher so, dass ein Diener das Gepäck trug? »Oder du steckst den Kamm einfach später in die Seitentasche«, fügte Betty noch hinzu.
Fenja schluckte und hielt den Kamm wie eine Weihkerze in der Hand. Anscheinend vergaß sie darüber sogar fast das Atmen.
Betty strich noch schnell ihren Rock gerade, zupfte die Bluse unter der Kostümjacke zurecht und zog die Wollstrümpfe hoch. Fertig. Sie freute sich. Jetzt begann ihre Zeit als Haustochter in diesem schönen Haus. Es war gut, endlich nach oben zu kommen. Aber zu Fenja würde sie immer besonders freundlich sein, das hatte sie sich bereits vorgenommen.
»Frühstücken musst du aber zuerst noch was«, schnarrte Frau Meier und streckte den Kopf in die Mädchenkammer. »Da oben werden sie dir bestimmt nichts geben. Die ande ren Mädchen sind schon alle fertig. Und lange lass ich den Ofen nicht mehr an, dann kriegt das Schwein den Rest von der Grütze.«
»Nein danke, sehr freundlich von Ihnen.« Betty schenkte der verdutzten Haushälterin ein strahlendes Lächeln und wartete, bis sie ihr Platz machte. Dann stieg sie würdevoll die Treppen hinauf. Frau Meier hinter ihr schnalzte mit
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