Die Teerose
neue Erinnerung.« Er stand auf, um Wein nachzugießen.
Fiona bewunderte ihren Ring, dann sah sie ihn schelmisch an. »Joe?«
»Hm?«
»Heißt das, daß wir jetzt verlobt sind?«
»Hängt ganz davon ab.«
»Wovon?«
»Ob du eine gute Ehefrau abgibst. Kannst du kochen?«
»Nein.«
»Putzen?«
»Nein.«
»Wie steht’s mit Bügeln? Kannst du das?«
»Nein.«
»Was kannst du denn?«
»Komm her, ich zeig’s dir.«
»Noch einmal? Du bist unersättlich. Gierig wie ein Raubtier!«
Sie zog ihn aufs Bett und liebte ihn, und während das Feuer herunterbrannte und sie schlafend in seinen Armen lag, lächelte er, voller Hoffnung, daß sie recht hatte, daß es keine schlechten Erinnerungen mehr gäbe, sondern nur noch die, die sie sich von jetzt an selbst schufen. Daß nichts mehr zwischen sie treten, daß keine dunkle Schatten aus der Vergangenheit sie mehr verfolgen würden. Daß sie eine Zukunft hätten, die allein in ihren Händen lag. Eine gemeinsame Zukunft endlich.
83
B obby Devlin«, sagte Roddy, sah von den Papieren auf seinem Schreibtisch auf und blickte dem Besucher an seiner Tür entgegen. »Was für eine unerwartete Freude.«
»Lassen Sie den Quatsch, O’Meara«, erwiderte Devlin und warf ein Exemplar des Clarion auf Roddys Schreibtisch. »Die Ausgabe von morgen.«
Roddy streckte sich und sah auf seine Uhr. Drei Uhr. »Mein Gott, schon so spät?« sagte er. Es war Samstag. Um neun war er gekommen, um einen Berg Arbeit abzutragen. Während der letzten Wochen war er so beschäftigt gewesen, nach William Burtons Aufenthaltsort zu suchen, daß er seine anderen Pflichten vernachlässigt hatte. Er bedeutete Devlin, sich zu setzen. »Sind Sie jetzt auch Botenjunge und tragen aus?«
»Ich dachte, es wäre von Interesse. Betrifft den Mann, den Sie suchen. Glaube nicht, daß Sie ihn so bald wieder zu Gesicht kriegen werden.«
Roddy warf einen Blick auf die Titelseite. WILLIAM BURTON, BETRÜGER UND SCHWINDLER, AUS DEM LAND GEFLOHEN lautete die Schlagzeile. Und darunter: VERWANDTE ERHEBT IN SEINEM NAMEN EINSPRUCH. Der Artikel war mit Devlins Kürzel versehen. Schnell schlug Roddy die Zeitung auf und begann zu lesen. Devlin hatte Burtons alte Tante ausfindig gemacht, eine achtzigjährige Frau namens Sarah Burtt. Miss Burtt lebte in einer komfortablen Wohnung in Kensington. Sie habe sich bereit erklärt, dem Clarion offen Rede und Antwort zu stehen, begann der Artikel, weil ihr daran liege, den guten Ruf ihres Neffen wiederherzustellen.
In dem folgenden Interview widersprach Miss Burtt der bekannten Geschichte, daß William Burton aus tiefer Armut zu Reichtum aufgestiegen sei – daß er als kleiner Waisenjunge von einer liebevollen ledigen Tante aufgezogen worden sei und es aus ärmlichen Verhältnissen zum Teebaron gebracht habe.
Sie habe ihn tatsächlich aufgenommen, doch nicht, weil seine Mutter gestorben sei, sondern weil sie den damals fünfjährigen William und seinen drei Jahre älteren Bruder verlassen habe. Die Mutter habe die Jungen ohne Essen und Geld in einem schmutzigen Zimmer in einer üblen Pension zurückgelassen und ihnen befohlen, sich nicht zu mucksen, sonst bekämen sie Schläge. William und Frederick hätten still auf ihre Rückkehr gewartet. Mehrere Tage seien vergangen, bis die Mieter des Nachbarzimmers aufgrund eines üblen Gestanks bemerkten, daß etwas nicht in Ordnung war. Da sei es für Frederick schon zu spät gewesen. Nachdem man die Tür aufgebrochen hatte, habe man den fünfjährigen William neben der verwesenden Leiche seines Bruder gefunden. Er phantasierte vor Hunger und Fieber und murmelte etwas von Ratten. Da bemerkte man, daß Fredericks rechter Fuß abgefressen worden war.
Devlin fragte Miss Burtt, warum die Mutter die Jungen verlassen habe. Habe sie nicht für sie sorgen können? Sei sie nicht in der Lage gewesen, vom Lohn einer Näherin zu leben? Miss Burtt erklärte ihm, daß ihre Schwester, Allison Burtt, als Näherin begonnen habe, aber als Prostituierte geendet sei. Sie sei eine übellaunige Trinkerin gewesen, die ihre Kinder erbarmungslos geprügelt habe und schon vor der Geburt der Jungen von der Familie enterbt worden sei.
Auf die Frage, ob Burtons Vater tatsächlich Kapitän gewesen sei, der mit seinem Schiff untergegangen war, antwortete Miss Burtt: »Schon möglich. Oder ein Metzger, ein Bäcker oder Kerzenmacher.« Sie hatte keine Ahnung, wer der Vater der beiden Jungen war, und bezweifelte, ob ihre Schwester das wußte. Was auch nicht
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