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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Boden neben ihm. »Ich schätze nicht, daß sich jemand dafür für schuldig erklärt hat?« sagte er zu der Wache.
    Der Mann schnaubte. »Alle sagen, er hätt es selber getan, Sir.«
    Roddy zog eine Augenbraue hoch. »Er hat einfach eine Rasierklinge genommen, die er sicher nicht bei sich hatte, als er eingeliefert wurde, und sich selbst die Kehle durchgeschnitten. Hier, mitten im Hof?«
    Der Wärter sah unbehaglich aus. »Wir wissen, daß es einer der anderen getan hat, aber keiner sagt was.«
    »Was ist mit den anderen Wachen?«
    »Von denen hat auch keiner was gesehen.«
    »Das ist wirklich großartig«, schäumte Roddy. »Als hätte ich nicht schon genug am Hals. Jetzt auch noch den Schlamassel hier.« Er kniete sich nieder und warf einen prüfenden Blick auf die Wunde. Warum? fragte er sich. Warum wurde er umgebracht? Sicher hatten ein paar der Gefangenen noch eine Rechnung mit ihm offen, aber böses Blut zwischen Kriminellen war nichts Ungewöhnliches, und kein Gangster, der halbwegs bei Sinnen war, würde sich wegen eines alten Grolls so weit aus dem Fenster hängen. Es gab nur eine Erklärung, weswegen ein Mann ein solches Risiko einging – für eine Menge Geld. Jemand hatte einen der Gefangenen oder einen Wärter bestochen, damit er Bowler erledigte.
    Auf dem Weg aus dem Gefängnis machte Roddy im Büro des Direktors halt, um sich für die Benachrichtigung von Sheehans Tod zu bedanken. Er war nach Newgate gerufen worden, weil der Direktor wußte, daß er ein besonderes Interesse an dem Fall hatte und über alle Entwicklungen, die den Gefangenen betrafen, informiert werden wollte. Im Büro des Direktors traf er Alvin Donaldson. Auch Donaldson war über Sheehans Tod informiert worden, wegen Sheehans langjähriger Verbindungen mit William Burton und der möglichen Zusammenhänge mit Burtons Fall.
    »Sie glauben, es war Burton, nicht wahr?« fragte er Roddy, als sie zusammen hinausgingen.
    »Der Gedanke ist mir gekommen«, antwortete Roddy.
    »Was braucht es noch, um Sie zu überzeugen, O’Meara? Der Kerl ist fort. Dessen sind wir uns sicher. Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um mit den Franzosen zu kooperieren. Wir haben Bilder geschickt. Sobald sie die haben, schnappen sie ihn.«
    »Bloß weil er nicht in seinem Haus oder in der Mincing Lane aufgetaucht ist, glauben Sie, daß er Ferien auf dem Kontinent macht?« fragte Roddy. Er mochte Donaldson nicht. Der Mann war zu sehr von sich eingenommen. Saß zu sehr auf dem hohen Roß.
    »Nein, ich glaube, daß er auf dem Kontinent ist, weil er sonst nirgendwo mehr hingehen kann. Es ist eine Belohnung auf ihn ausgesetzt. Das wissen Sie doch. Ihre Mrs. Soames persönlich hat sie auf tausend Pfund erhöht. Bloß mal angenommen, er hält sich in irgendeiner Pension versteckt … glauben Sie nicht, daß seine Mitbewohner ihn verpfeifen würden? Für tausend Pfund? Die hätten ihn so schnell am Schlafittchen, daß er nicht mehr bis drei zählen könnte.«
    Roddy antwortete nicht.
    »Sie wissen, daß ich recht habe. Und wenn Sie mich fragen …«
    »Das tu ich aber nicht.«
    »… sollten Sie auf Ihren Freund auf der anderen Seite des Flusses, auf Sid Malone, ein Auge haben. Man sagt, er wolle Sheehan den Mord an Quinn heimzahlen.«
    »Erzählen Sie mir was, das ich nicht weiß.«
    »Ich möchte Ihnen ebenfalls mitteilen, daß wir vorhaben, die Posten an Mrs. Soames’ Haus abzuziehen.«
    »Was? Warum zum Teufel tun Sie das?«
    »Der Chef ist der Ansicht, daß Burton fort ist. Und wenn er fort ist, gibt es keinen Anlaß mehr, Mrs. Soames vor ihm zu schützen. Wir können unsere Kräfte nicht grundlos irgendwo einsetzen.«
    »Ich halte das für keine gute Idee. Ganz und gar nicht. Was ist, wenn Sie sich täuschen?«
    Donaldson lächelte. »Das tun wir nicht.«
    Dann ging er und ließ Roddy schäumend im Eingang des Gefängnisses zurück. Auf dem Weg nach draußen warf er einen Blick auf die Besucherliste, aber kein Name stach ihm ins Auge. Was er auch nicht erwartet hatte. Jeder, der gerissen genug war, Sheehan umzubringen, war schlau genug, einen falschen Namen auf die Liste zu setzen.
    Auf dem Weg zurück zum Revier ließ er sich Donaldsons Worte noch einmal durch den Kopf gehen. Seine Intuition sagte ihm, daß Burton Sheehan umgelegt hatte, aber Intuition war nur ein Gefühl. Die Logik sagte ihm etwas anderes. Vielleicht war Burton wirklich nicht mehr in London. Er wünschte, daß das so wäre. Doch so überzeugt sich Donaldson auch anhören mochte, wenn

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