Die Teerose
von oben bis unten an, als begutachte er einen Ackergaul. »Also gut dann. Schrubber und Eimer sind hinter der Tür. Die Bar muß auch poliert werden, aber du mußt zuerst die schmutzigen Gläser wegräumen.«
Fiona sah ihn verständnislos an. »Sie meinen, jetzt gleich?«
»Na klar, jetzt gleich. Paßt dir das nicht? Ich hab doch gesagt, die Arbeitszeit ist einschließlich Sonntagmorgen, und heut ist Sonntag.«
Sie würde Joe nicht sehen. Er wartete auf sie. Er hatte ihr das Fahrgeld geschickt. Sie wollten reden, er würde sie festhalten, und alles würde wieder gut werden. Sie stellte sich vor, wie er an der Bushaltestelle stand und nach ihr Ausschau hielt, wenn die Fahrgäste ausstiegen, sie aber nicht finden würde. Schließlich würde er aufgeben und nach Hause gehen.
»Es ist nur … ich wollt grade … ich hab nicht gedacht, daß die Arbeit jetzt gleich anfängt …«, stammelte Fiona.
»Hör zu, Mädchen. Ich brauch ‘ne Putzfrau«, erwiderte Mr. Jackson ungeduldig. »Die letzte war schwanger und hat das Balg zu früh gekriegt. Mein Pub muß geputzt werden. Mir ist egal, wer das tut. Wenn du den Job nicht willst, geb ich ihn ‘ner anderen.«
»Nein, nein, ich will den Job«, antwortete sie hastig und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich bin dankbar, daß Sie an mich gedacht haben, und fang gleich an.«
Sobald er fort war, ließ Fiona die Maske des höflichen Lächelns fallen. Tränen rannen ihr über die Wangen, sie konnte sie nicht zurückhalten. Sie hatte sich so darauf gefreut, Joe zu sehen und sich mit ihm zu versöhnen. Jetzt schien wieder alles hoffnungslos zu sein. Warum mußte sie die Stelle gerade jetzt kriegen? Gerade an diesem Tag? Es gab keine Möglichkeit, ihn zu benachrichtigen, daß sie nicht kommen konnte. Er würde umsonst auf sie warten.
Aber sie hatte keine Wahl. Sie füllte den Holzbottich mit Seifenlauge und war dankbar, daß sie allein im Pub war und Mr. Jackson in seinem Büro zu tun hatte. Dann krempelte sie die Ärmel hoch, knotete ihren Rock zusammen und ging auf die Knie. Sie tauchte die Bürste ins Wasser, begann zu schrubben, und ihre Tränen vermischten sich mit der Seifenlauge auf dem schmutzigen, mit Bier verschmierten Boden.
15
E in Glas Punsch, Sir?«
»Nein, nein, danke«, antwortete Joe schnell. Ihm war bereits ziemlich schwindelig. »Ich nehm eine Limonade.«
»Sehr wohl, Sir«, antwortete der Kellner und drehte sich steif auf dem Absatz um, um sie zu holen.
Joe hatte genug vom Punsch. Er war an harte Getränke nicht gewöhnt, und von den zwei Gläsern, die er bereits getrunken hatte, war er schon beschwipst. Er wollte einen klaren Kopf behalten. Tommy hatte ihn den ganzen Abend herumgeführt und einem feinen Pinkel nach dem anderen vorgestellt. Er hatte die Chefeinkäufer für Fortnum’s und Harrods kennengelernt, einige Köche und Küchenchefs der größeren Hotels, Gastronome und unzählige Gattinnen, Söhne und Töchter, und er brauchte all seine Konzentration, um ihre Namen zu behalten.
Die Party war lustig und ausgelassen, ganz und gar nicht so steif, wie er erwartet hatte. Alle Gäste waren bester Stimmung und schienen wirklich Spaß zu haben. Aber wie sollte es auch anders sein? Alles war außergewöhnlich – die unglaubliche Menge an Essen, die Getränke, die Musik, das blumengeschmückte Haus, der mit Fakkeln und Kerzen beleuchtete Garten. Es war ein umwerfender Anblick, und er wünschte, Fiona wäre hier, um ihn mit ihm zu genießen. Fiona. Das Herz tat ihm weh beim Gedanken an sie.
Warum war alles zwischen ihnen so verdammt schwierig geworden? Er hatte sich eine gute Arbeit an Land gezogen in der Hoffnung, ihren Laden früher als geplant eröffnen zu können. Damit sie zusammensein könnten. Und jetzt lebten sie sich auseinander.
Er hatte ihr vor einer Woche Geld geschickt, damit sie nach Covent Garden kommen konnte, aber sie war nicht gekommen – ohne jede Erklärung. Sie hätte ihm wenigstens schreiben und den Grund nennen können. Offensichtlich war sie immer noch böse auf ihn. Vielleicht haßte sie ihn und wollte ihn überhaupt nicht mehr sehen. Vielleicht hatte sie jemand anderen gefunden.
Das letzte Mal, als er sie gesehen hatte – an dem Tag, als sie sich gestritten hatten –, war sie so abweisend gewesen, daß er nicht einmal mit ihr reden konnte. Und dann hatte er Dummkopf auch noch gesagt, daß sie ihm Schuldgefühle einflöße. Das hätte er nicht sagen sollen – sie war sehr stolz, und seine Worte hatten sie
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