Die Teerose
können. Er hatte es wundervoll eingerichtet, alle vier Stockwerke, mit dem riesigen Speisezimmer, der Bibliothek, dem Arbeitszimmer, dem Empfangszimmer, dem Wintergarten, den großen Küchen und den unzähligen Schlafzimmern. Keine verstaubten Antiquitäten waren erlaubt, nur Stücke von neuen Designern. Fenster, Spiegel und Lampen von Louis Comfort Tiffany. Silber von Archibald Knox. Möbel und Kronleuchter von Émile Galle. Bilder von Nicks geliebten französischen Malern und von der jungen Garde amerikanischer Künstler, die er förderte.
Jetzt lächelte Fiona, wenn sie an die wundervolle Zeit dachte, die sie dort verbracht hatten. Die vielen Partys und Tanzvergnügen. Während des Tages war sie kaum zu Hause, aber abends, wenn sie heimkam, war oft ein Dinner mit Freunden in Gang. Oder eine Feier zum Hochzeitstag für Michael und Mary, die 1891 geheiratet hatten, oder ein Fest für eines ihrer Kinder. Im Sommer gab es immer Picknicks im Garten – mit Lampions, Musik und mittellosen Künstlern und mit Seamie, wenn er aus dem Internat nach Hause kam, der Champagner stibitzte und mit hübschen Kunststudentinnen tanzte. Nick spielte gern den Gastgeber, er liebte es, Freunde freizuhalten, und genoß die Geselligkeit, den Klatsch und die kleinen Dramen.
Fionas Lächeln verblaßte. Es war schon lange her, daß Lachen das Haus erfüllt hatte. Natürlich schauten Nicks Freude vorbei, aber Dr. Eckhardt erlaubte keine langen Besuche, kein lautes Reden und nichts, was seinen Patienten anstrengen konnte. Sie spürte, wie ihre unerschütterliche Hoffnung ins Wanken geriet und eine tiefe, lähmende Trauer sie ergriff. Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen, die sie ärgerlich fortwischte. »Hör auf. Hör auf«, sagte sie sich. »Auf der Stelle.«
Sie stopfte ihre Unterlagen in ihre Tasche, nahm ihren Mantel und eilte hinaus, ohne sich von ihrer Sekretärin zu verabschieden. Sie wollte heim. In ihr Haus mit den dicken Marmorwänden, der soliden Eingangstür, dem Eisenzaun. Es war eine Festung, dieses Haus. Es hatte ihr, Nick und Seamie all die Jahre Schutz geboten. Es hatte ihnen an nichts gefehlt darin, sie hatten sich vor nichts gefürchtet. Bis jetzt. Jetzt ging etwas Dunkles darin um und wartete auf seine Chance.
Sie kannte die Bestie, sie hatte sie schon früher heimgesucht. Aber sie hatte gelernt, auf der Hut zu sein. Sie würde die Türen vor ihr verschließen. Sie würde Wache halten. Und dieses Mal würde sie es nicht schaffen einzudringen.
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M ein Gott, Nick, ich kann Sie von hier mit den Zähnen klappern hören«, sagte Teddy Sissons. »Ich leg noch ein Scheit aufs Feuer.«
»Danke, Teddy«, antwortete Nick und zog seinen Kaschmirschal enger um die Schultern. Seit seinem Kollaps war ihm ständig kalt. Er beugte sich vor, schenkte sich und Teddy Tee nach und lehnte sich dann, erschöpft von der Anstrengung, wieder zurück. Sein Zustand war ernst. Eckhardt hatte ihm gesagt, daß ihm nicht mehr viel Zeit bliebe, und er wollte seine Dinge ordnen. Er wußte, daß er im Bett und nicht im Salon sein sollte, aber all die Medizinfläschchen und Medikamente auf seinem Nachttisch bedrückten ihn.
Von allen Räumen im Haus mochte er den hier am liebsten. Es war nicht der eleganteste, aber der gemütlichste. Überall standen weiche, mit Daunen gepolsterte Sofas und Sessel, es gab dicke Seidenkissen und Ottomanen und einen riesigen Kamin. Doch am meisten mochte er den Raum deshalb, weil er so viele Erinnerungen an glückliche Zeiten mit Fiona beherbergte. Hier hatten sie gemeinsam mit Seamie endlose Abende und faule Sonntagnachmittage auf einem der Sofas verbracht, Pläne geschmiedet und Luftschlösser gebaut.
»Na also!« sagte Teddy und klopfte sich die Asche von den Händen. »Jetzt ist es ein richtiges Feuer!«
»Feuer? Das ist ja der reinste Hochofen! Hätten Sie nicht noch mehr Holz nachlegen können?«
»Sie brauchen die Wärme, Ihre Hände sind ganz blau.« Teddy nahm wieder Platz, setzte die Brille auf und wandte sich erneut dem umfangreichen Dokument auf dem Tisch zu, Nicks Testament. »Wie ich schon sagte, ich glaube, Sie sind übervorsichtig. Selbst ohne Testament fällt dem Gesetz nach Ihr gesamter Besitz Ihrer Gattin zu. Das kann niemand anfechten.«
»Sie kennen meinen Vater nicht. Sobald ich aus dem Tal der Tränen abgetreten bin, wird dieser schreckliche Mensch zumindest versuchen zu verhindern, daß mein Treuhandvermögen an Fiona übergeht. Es ist eine Menge Geld. Über eine Million,
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