Die Templerin
hinterher mit ihr machen, was er wollte. Sie befand sich ohnehin in einem Zustand, in dem sie sich kaum noch vorstellen konnte, den nächsten Morgen zu erleben.
Was sie zu erzählen hatte, schien Abbé zumindest nicht unmittelbar dazu zu bewegen, ihr die Kehle durchzuschneiden. Er hörte ihr einige Augenblicke lang zu, steckte dann sein Schwert ein und wandte sich um, gab Robin jedoch mit einer Geste zu verstehen, daß sie weiterreden sollte. Er ging zu Helles Kleid hinüber, ließ sich in die Hocke sinken und riß einen langen Streifen aus dem Stoff. Dann schob er den Ärmel seines Kettenhemdes in die Höhe, und Robin sah, daß die Stichwunde in seinem Unterarm noch immer heftig blutete. Sie überlegte, ob sie ihm ihre Hilfe anbieten sollte, aber Abbé kam auch mit einer Hand ganz gut damit zurecht, sich einen Verband anzulegen. Er schien eine Menge Übung in solcherlei Dingen zu haben.
Als er seinen Verband fertig angelegt hatte, war auch Robin mit ihrem Bericht zu Ende - sehr viel hatte es ja ohnehin nicht zu erzählen gegeben.
Abbé betrachtete sie kopfschüttelnd. »Jan«, murmelte er und verzog mißbilligend das Gesicht. »Ich bin enttäuscht. Ich hatte große Hoffnungen in ihn gesetzt. Ich hätte niemals geglaubt, daß er so pflichtvergessen sein könnte. Wäre er nicht so ein vielversprechender Knappe gewesen, müßte ich zufrieden sein, daß Gott ihm seine gerechte Strafe für seine Pflichtvergessenheit hat zuteil werden lassen. Acht Jahre Ausbildung! Was für eine Verschwendung!«
Er seufzte, drehte sich um und sah einen kurzen Moment auf Helles leblosen Körper hinab. »Hilf mir, ihr das Kleid anzuziehen!«
Natürlich gehorchte Robin ohne Widerspruch. Mit vereinten Kräften streiften sie der Toten das Kleid über und legten sie dann wieder dorthin, wo Robin sie am Anfang gesehen hatte.
»Wer ist das?« Abbé deutete auf Olof.
»Olof«, antwortete Robin. »Helles Mann.«
»Das habe ich mir fast gedacht«, sagte Abbé finster. »Was für ein … Tier. Es ist nicht schade um ihn.«
»Er hat Helle oft geschlagen«, sagte Robin unsicher. »Und auch andere. Er war in unserem Dorf nicht sehr beliebt.« Das war zwar die Wahrheit, aber sie kam sich trotzdem schäbig dabei vor, denn sie wollte damit dem Tempelritter im Grunde genommen nur nach dem Munde reden. »Dieses Mal hat er sich den Falschen ausgesucht.« Abbé rieb sich versonnen den verletzten Arm, während er sich aufmerksam im Raum umsah. Nacheinander hob er einen Leinenbeutel, ein silbernes Tablett mit Brot, Käse und Weintrauben und zwei ebenfalls silberne Trinkgefäße vom Boden auf, die er allesamt in seinem Beutel verstaute. Dasselbe tat er mit zwei der drei Kerzen, die die Kapelle beleuchteten. Endlich verstand Robin auch, was er da tat: Er verwischte sorgfältig alle Spuren seines Hierseins.
Schließlich brannte nur noch eine einzige Kerze. Abbé nahm sie in die Hand, löschte die Flamme aber noch nicht, sondern wandte sich wieder zu Robin um.
»Kannst du reiten?« fragte er.
»Reiten? Nein.«
»Dann wirst du es lernen müssen«, sagte der Tempelritter gleichmütig. »Ich habe wenig Lust, den ganzen Weg zu deinem Dorf neben dir herzuschleichen.«
»Zu meinem… Dorf?« wiederholte Robin verständnislos.
»Natürlich zu deinem Dorf.« Abbé blies die Kerze aus, und nahezu vollkommene Dunkelheit senkte sich über das Innere der Kapelle. »Wir haben noch ein paar Dinge zu besprechen, aber dafür ist unterwegs noch Zeit genug. Geh voraus.«
Robin tastete sich durch die Schwärze zum Ausgang. Draußen blieb sie stehen und wartete auf Abbé.
»Du wartest hier«, befahl er barsch. »Laß dir nicht einfallen wegzulaufen, ich bin sofort zurück.«
Er verschwand hinter der Kapelle, kehrte aber tatsächlich schon nach einigen Augenblicken zurück. Er trug jetzt einen weißen Mantel, auf dem sich das Kreuzsymbol mit den gespaltenen Enden wiederholte, und führte zwei Pferde am Zügel.
»Jan?« fragte er.
Robin deutete stumm in die Richtung, in der der tote Junge lag. Um nichts auf der Welt wollte sie noch einmal dorthin, aber Abbé fragte sie nicht nach dem, was sie wollte, sondern machte eine befehlende, grobe Geste, und Robin gehorchte auch diesmal.
Sie gingen zu dem Baum, unter dem Jans Leichnam lag. Abbé band die Zügel der beiden Pferde an einen tiefhängenden Ast, ging hin und ließ sich neben Jan auf die Knie sinken. Er drehte den Toten auf den Rükken, setzte dazu an, das Kreuzzeichen auf seiner Stirn zu machen, und sog plötzlich
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