Die Terranauten 006 - Das Psi-Inferno
daß sie einen großen Kreis bildeten. Erst als sie zu seiner Zufriedenheit angeordnet waren, füllte er sie bis zum Rand mit einer blassen Flüssigkeit. Ein ungewisses Licht strahlte davon aus und sammelte sich in der Mitte des Kreises um die Gestalt des alten Mannes.
Merlin stand reglos, als sei er zu Stein geworden. Die Hände streckte er empor, wie um etwas aufzufangen. Zwei kleine, zuckende Flämmchen bildeten sich in der Düsternis unter der Felsenkuppel und senkten sich langsam auf die wartenden Handflächen, wo sie mit ruhiger Selbstverständlichkeit weiterbrannten.
Merlin lächelte und schloß die Augen.
»Es ist ein Gott – doch in vielen Dingen!« sagte er laut. »Du, der du im Feuer lebst, ich befehle dir: Setze dich auf jene Schalen, und wecke die Erinnerung an das, was aus Staub geschaffen war und lange wieder zu Staub geworden! Wecke, was aus einem Leib sich in zwölfe teilte und wieder zurückkehrte in den einen, der uns alle zeugt!«
Er legte die Hände zu einer Schale zusammen. Die beiden Flammen vereinigten sich zu einem glühenden Ball, der in zwölf einzelne Feuerzungen zerbarst. Die Flüssigkeit in den Schalen brannte mit einem blauroten Licht, und aus ihr stiegen Säulen eines violetten Dunstes gegen die felsige Decke.
Merlin sandte seinen Willen aus und berührte das Bewußtsein der Treiber, die sich in der Nähe des Tales befanden. Mit rücksichtsloser Wucht sog er ihre erschöpften PSI-Kräfte zu sich heran und vereinigte sie mit seiner eigenen Kraft. Schweiß perlte auf seiner Stirn, sein Gesicht verlor die Farbe, und er zitterte am ganzen Körper unter der ungeheuren Anstrengung. Gewaltsam verdrängte er den gequälten Protest der Treiber und konzentrierte sich auf seine Aufgabe.
Vor seinen geschlossenen Augen sah Merlin III einen sonnigen Tag über einer blühenden Hügellandschaft. Blitzende Funken sprangen von den smaragd- und rubinfarbigen Schuppen der gewaltigen Ungeheuer, die mit peitschendem Zackenschweif durch das taufeuchte Gras schritten …
*
Queen Mandorla saß hinter der Sichtscheibe des Kommando-ASE und betrachtete mit einem ironischen Lächeln den steifen Rücken der Queen Shu-Bad, deren Finger nervös über die Tastatur der Mikrophonanlage glitten.
Ein Durcheinander von Stimmen drang durch die Sprechgitter. Berichte der Grauen bei den Treiberschiffen, Anfragen, Forderungen …
Shu-Bad redete ununterbrochen und bemühte sich, ihrer Stimme einen sicheren Klang zu geben.
Mandorla lehnte sich bequemer zurück und genoß die Untätigkeit. Seit Valdec sie nach ihrem mißglückten Einsatz gegen David terGorden vorübergehend ihres Postens enthoben hatte, fühlte sie sich eigentlich wohler als je zuvor.
Durch das Fenster konnte sie die WIEN erkennen, die als einziges der Treiberschiffe mit einer Laserkanone ausgestattet war. Den Grauen war nichts anderes übriggeblieben, als zurückzuweichen, bis ein ASE zur Verstärkung eintraf. Die ASE, die vom Kaiser-Konzern konstruierten neuen Kampffahrzeuge für Atmosphäre, Wasser und Boden, bewährten sich auf Grönland ausgezeichnet.
»Es wäre besser, die anderen Treiberschiffe in der Zwischenzeit schon zu stürmen und die Besatzungen abzutransportieren«, schlug sie behutsam vor. »Wenn das Beispiel der WIEN ihnen Mut macht, bereiten sie uns nur Schwierigkeiten, und wir sind gezwungen, einen Großteil von ihnen zu töten, was Valdec bestimmt nicht gut findet …«
Queen Shu-Bad fuhr in ihrem Sessel herum. Ihr schmales Gesicht war eine starre Maske mühsamer Selbstbeherrschung.
»Max von Valdec!« berichtigte sie schrill. »Lordoberst Max von Valdec! Die Zeiten irgendwelcher Vertraulichkeiten dürften für dich wohl vorbei sein, Schwester! Und was deine ungebetenen Ratschläge betrifft …«
Mandorla erhob sich und strich den kostbaren Pelzmantel glatt, den sie über ihrer Zivilkleidung trug.
»Ich glaube eher, daß dir der Brocken ein bißchen zu groß ist, den Valdec dir hingeworfen hat«, sagte sie ruhig. »Es war wohl leichter, an meiner Arbeit herumzumäkeln, als den Posten selbst auszufüllen, nicht, Schwester? So ein schöner, ruhiger Posten bei der Grüne-Hügel-Gesellschaft und dazu noch den charmanten Pankaldi … Und jetzt diese Verantwortung! Wenn du nun einen Fehler machst! Ich verstehe ja vollkommen, daß du die Übersicht verlierst, Schwester, glaub mir!«
Queen Shu-Bad starrte ihre Vorgängerin einen Augenblick sprachlos an. Sie konnte sichtlich nicht begreifen, ob diese mitleidigen Worte nun
Weitere Kostenlose Bücher