Die Terranauten 022 - Der Katastrophen-Planet
nachdem ihre Kolonie auf Teuton von den Grauen Garden dem Erdboden gleichgemacht worden war. Nach anfänglichen Reibereien hatte sich das Verhältnis zwischen den beiden ethnischen Gruppen entspannt; zweifellos waren die zunehmenden Spannungen zwischen der konzilhörigen Planetenregierung und der Bevölkerung Gingers mitverantwortlich dafür.
»Träume«, sagte Gua Ho mit sanftem Spott, »sind der Samen der Realität. Wußtest du, daß Traumentzug zum Tode führt? Die Graugardisten wissen es…«
Shmidd strich eine Wasserflechte aus seiner Stirn. »Ich habe davon gehört, daß auf Carlruhe die Garde eingegriffen hat. Stimmt das?«
Shmidds Stimme vibrierte leicht. Ho wußte, daß Carlruhe die Heimatinsel des kraushaarigen Mannes war. »Wie lange warst du nicht mehr dort?« fragte er ausweichend.
»Drei, vier Standardmonate.« In Shmidds Augen funkelte es. »Also ist es wahr, oder?«
»Nicht ganz. Die Garde schirmte lediglich Neu-Helgoland und Carlruhe ab. Die Aktion wurde von der Legion durchgeführt.« Gua Ho wirkte unberührt, aber Shmidd wußte, daß dieser Eindruck täuschte. Ho war der Mann, der die Widerstandsgruppe gegründet hatte, aus der schließlich die Perlen hervorgingen. Zwanzig oder dreißig Jahre schon kämpfte er gegen das Konzil und gegen die Unterdrückung durch die Soldaten von Chua Sin. Dies war eine lange Zeit;
lang genug, um oft dem Tod begegnet zu sein.
Gua Ho hustete, und jetzt sah Shmidd auch die Falten in seinem Gesicht und den grauen Schimmer in den glatten, schwarzen Haaren. »Die Legion«, fuhr Ho ruhig fort, »durchsuchte die beiden Inseln und verhaftete und erschoß einige Leute. Der Provinzverwalter wurde abgelöst und durch einen Präfekten der Legion ersetzte. Auf Neu-Helgoland und Carlruhe gelten die Notstandsgesetze. Abgesehen davon ist der Bevölkerung nichts geschehen. Natürlich kann im Augenblick keiner von uns zurück.«
»Natürlich«, nickte Shmidd automatisch.
Die Strömung war stärker geworden und erleichterte das Rudern. Das Boot huschte durch das Netz der Wasserrinnen, vorbei an aufgetürmten Tanghügeln und quadratkilometergroßen Flößen, die gemächlich nach Norden drifteten. An vielen Stellen des seichten Weltenmeeres gab es heiße Quellen oder Unterwasservulkane, die die See erwärmten. Die Temperaturunterschiede waren eine der Ursachen für die Strömungen.
Zahllose Tiere nisteten auf den Pflanzenflößen. Das Meer war planktonreich und gleichfalls von Leben erfüllt. Und in der Luft kreisten riesige Schwärme seltsamer Vögel, die keine Vögel waren.
»Wie lange brauchen wir noch?« fragte Ho laut und blickte hinüber zum Steuermann.
Chen Tiau zuckte die Achseln. »Eine Stunde, wenn kein Springhai sich blicken läßt.«
»Ich hoffe«, bemerkte Ho milde, »ihr denkt alle daran, daß es äußerst unklug wäre, in diesem Falle eine Energiewaffe zu benutzen. Zeutens Augen sind scharf und allgegenwärtig.«
Der Steuermann seufzte. Es klang resignierend. »Dann schlage ich vor, du denkst dir rasch etwas anderes aus, denn der verdammte Hai wird nicht lange warten.«
Ho und Shmidd drehten beide gleichzeitig den Kopf. Die Ruderschläge wurden für einen Moment unregelmäßig und das Boot schwankte. Schmatzend schlug Wasser gegen den Rumpf.
Das Geräusch ließ den Springhai erstarren.
Er hockte rund dreißig Meter von der schmalen Fahrrinne entfernt auf einer Tangscholle. Er war grün wie das Meer, wie die Algen und Flechten und aufgerichtet so groß wie ein Mensch. Der Rumpf war schlank und muskulös, beweglich wie der Leib einer Schlange, und endete in einer breiten Schwanzflosse. Froschähnliche Sprungbeine mit kräftigen Schwimmhäuten zwischen den Zehen machten den Springhai im Wasser und auch auf dem Land zu einem schnellen, beweglichen Jäger. Der Kopf war augenlos und bestand aus einem breiten Maul, in dem messerscharfe Zahnreihen blitzten. Eine dünne, lange Zunge tastete lauernd hin und her, ruckartig bewegte sich der Oberkörper, der mit einem Dutzend warziger Verdickungen bedeckt war. Mit ihnen hörte der Springhai. Er benötigte keine Augen, denn sein Geruchs- und Hörsinn waren scharf genug, um in einer feindlichen Welt zu überleben.
Es dauerte nur zwei, drei Sekunden, dann hatte sie der Springhai ausgemacht. Seine Reaktion wurde geprägt durch den Instinkt des perfekten Raubtieres, durch den Hunger der Freßmaschine, die stetig Nachschub verlangte. Das zweifache seines Körpergewichtes mußte ein Springhai am Tag fressen, um seinen
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