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Die Terranauten 027 - Der Transmitter-Baum

Die Terranauten 027 - Der Transmitter-Baum

Titel: Die Terranauten 027 - Der Transmitter-Baum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Roland
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Zur Überwindung von Unebenheiten bedienten die Metallhunde sich ihrer Greifzangen oberhalb der Räder. Zwar verlangsamt, aber unaufhaltsam rückten sie nach.
    Die Feinde auf dem Platz drehten sich ihnen zu. Ihre roten Augenschlitze starrten ausdruckslos herüber. Wie auf einen lautlosen Befehl fuhren ihre giftigen Nadeln aus. Sie setzten sich in Bewegung, alle gleichzeitig, wie immer, und rollten zu einem unregelmäßigen Halbkreis auseinander.
    Jeder Fluchtweg war versperrt. Der Schmale Tortor sah es ein. Er konnte sich mit Nanuk noch rechts oder links in irgendeiner Ruine verstecken. Aber der Feind war spürsicher, und nur wenige Augenblicke würden vergehen, bis man sie einkreiste. Nicht einmal der Donnerkeil konnte helfen. Die Regel, zur Vorbeugung gegen Verschwendung pro Tag nur drei Geschosse in die Kammer zu laden, mußte nun zum Verhängnis werden. Hinter ihnen sechs Feinde, vor ihnen ungefähr nochmals die gleiche Menge – das war so oder so eine zu große Übermacht.
    Der Schmale Tortor trat an Nanuks Seite und kehrte sich der Straße zu. Sie konnten einander den Rücken decken, bis der erste von ihnen dem Gegner zum Opfer fiel. Doch das Ende war unausweichlich. Der Schmale Tortor erkannte diese Tatsache mit dem bitteren Gleichmut eines Menschen, der nichts zu verlieren hatte als ein schlechtes Leben.
     
    *
     
    »Warte bis zum Abend«, hatte die alte Zella auf seine spöttischen Entgegnungen nur empfohlen und ihn aus ihrem einzigen runden Auge mitleidig gemustert. »Warte bis zum Abend, und du wirst ein anderes Lied singen. Dein Hochmut wird zum Schaden für uns alle gereichen.« So hatte sie am Morgen gesprochen, als die Bürgerschaft auf der Dachterrasse des Kaufhauses gemeinschaftlich das bescheidene Frühstück verzehrte. Rund hundertfünfzig Menschen schabten mit dem uralten, aber haltbaren Plastikbesteck auf den verschiedenartigsten Tellern herum und aßen die würzige Krautsuppe, gebraut aus dem Grünzeug, das die Bürgerschaft im dritten Stockwerk des Baus züchtete.
    »Wie kommt es wohl, Zella«, hatte der Schmale Tortor gehöhnt, »daß du mit deinem einen Auge immerzu mehr siehst als die meisten von uns mit zwei Augen?«
    »Ich sehe.« Unbeeindruckt fütterte das alte verhutzelte Weiblein zwei schwächliche Kleinkinder, die sich auf ihrem knochigen Schoß regten. Die Mutter der beiden Kleinen war kürzlich unter grausamen Qualen gestorben. Trotz aller Warnungen Kalles hatte sie sich in ein chemisch verseuchtes Viertel gewagt. Der Wahnsinn der Ahnen hatte einen langen Arm. Doch der Schmale Tortor war trotz seiner Schmalheit zäh, und in seiner Jugendlichkeit fühlte er sich stark und unbesiegbar. Er fürchtete nichts. Die Schatten der Vergangenheit waren ihm nur flüchtige Schemen. »Ich sehe das Mark in deinen Knochen vor Entsetzen leuchten. Dein dünnes Blut singt das Lied des Todes. Blut und Mark sind des Lebens Brücke zur Zukunft, und am anderen Ende der Brücke lauert schreckliche Gefahr. Das Lied des Untergangs hallt bis in deine Haarwurzeln, so daß sie vor Grauen verdorren möchten. Dein Körper ahnt das drohende Ende. Nur dein schwaches dummes Hirn wünscht davon nichts zu wissen. Ach, wenn von allen menschlichen Fehlern einer der größte ist, dann gewiß das Blindsein gegenüber der Wahrheit!«
    »Niemand kann die Zukunft sehen«, widersprach der Schmale Tortor und schob sich den letzten Löffel voll von der dicken Suppe in den Mund. Rundum lauschten ein paar Frauen und ältere Kinder neugierig und zum Teil ein wenig ängstlich ihrem Wortwechsel. »Wenn du die Zukunft schauen kannst, warum erzählst du uns dann nichts von all dem Großen und Schönen, auf das wir für künftige Generationen hoffen?«
    »Ich kann nicht von Hoffnungen erzählen. Ich erzähle die Wahrheit.«
    »Und die Wahrheit ist, Zella, daß du entweder die Zukunft nicht schauen oder für uns keine Zukunft sehen kannst.« Der Schmale Tortor stellte seinen geblümten Teller beiseite. Er nahm den Donnerkeil und legte sich die schwere Waffe quer über die Knie.
    Zella betrachtete ihn einen Moment lang starren Blicks, ehe sie antwortete. »Würdest du älter, aus dir könnte ein Weiser werden«, sagte sie mit verminderter Lautstärke. Sie seufzte. »Ich rate dir nochmals. Bleib heute hier. Der Donnerkeil wird der Bürgerschaft verlorengehen, wenn du nicht wiederkehrst. Ein starker Schutz käme uns abhanden.«
    Der Schmale Tortor hob den Blick zur Sonne. Sie begann sich soeben über die Brüstung der Dachterrasse zu

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