Die Terranauten 027 - Der Transmitter-Baum
schieben. Es war an der Zeit zum Aufbruch für seine Gruppe. Er richtete sich auf und schlang eine Hand mit langen Spinnenfingern um eine Eisenstange, die aus dem Stein der Brüstung sinnlos in den Himmel ragte. »Jeden Tag droht Gefahr. Jedem von uns. Was würdest du sagen, käme ich eines Tages von mir aus an und behauptete, heute ist mir mulmig, darf ich im Hause bleiben?« Er drehte sich Zella wieder zu. »Feigling, Schmarotzer, würden die anderen Bürger rufen, was denn, Frauen und Jungen sollen zur Nahrungssuche ausziehen, während du hier herumsitzt und auf ihre Erträge wartest, ein Kerl wie du? So hieße es, und sie hätten völlig recht. Man kann sich vor nichts drücken, bloß weil es gefährlich ist.«
»Du kannst gehen, wenn du darauf bestehst. Niemand hier hat zu befehlen. Und das ist gut so.«
»Vielleicht nicht.«
»Der Wahnsinn der Ahnen war nur möglich, weil so viele von ihnen nur immer gehorchten. Die Menschen unserer Welt wollten nur in Frieden ihre Arbeit verrichten und aufbauen. Aber man hat sie nicht gelassen, und Männer, die lebten, um zu gehorchen und nichts als zu gehorchen, bewarfen diese Welt mit Bomben, beschossen die Städte und Siedlungen. Wegen dieser Gehorsamen und dank jener, die ihnen befahlen, ist unser Dasein kaum besser als das der Tiere. Schweigen wir von Zukunft, Schmaler Tortor.« Mühselig erhob sich Zella und stellte das Geschirr zusammen. Die Kinder an ihrem Rockzipfel plärrten nach mehr, aber die nächste Mahlzeit gab es erst am Abend. »Schweigen wir davon. Noch zu vieles ist unentschieden, um davon reden zu können. Vielleicht werden wir andere Lieder singen, als wir alle heute glauben.«
Sie schlurfte die paar Schritte zur Brüstung der Dachterrasse und blickte aus ihrem großen Zyklopenauge über die grauen und schwarzen, von Grün durchzogenen Ruinen und Trümmerhalden der Stadt aus. »Du hast dich nach deinem Willen entschieden. Danach wird sich deine Zukunft gestalten. Ich rede dir nicht hinein.«
Die Schritte schwerer Stiefel kamen näher. Kalle Starr trat zu ihnen, in seine dicke Kleidung gehüllt; er war Bluter und mußte auch die geringfügigste Verletzung vermeiden. Sein horniger Schnabelmund verlieh seinem Gesicht eine unveränderliche Ausdruckslosigkeit, aber man merkte dem Strahlenwart der Bürgerschaft seine Erregung in seinem ganzen Benehmen an. Dichtauf folgte ihm wie stets sein Gehilfe Ed, dem noch Suppenreste an den Nasenlöchern klebten, durch die er sie saugen mußte. Ed hatte keinen Mund. »Höre ich richtig?« krächzte Kalle Starr. »Du willst Zellas Warnungen mißachten? Hat dich der Wahnsinn der Ahnen gepackt?«
»Wir haben uns gerade darüber ausgesprochen«, sagte der Schmale Tortor, um den Strahlenwart zu besänftigen.
»Ausgesprochen? So! Aber da war ich nicht bei. Ich bin gegen diese Verrücktheit. Ich kann dich gut leiden. Schmaler Tortor. Aber ich befehle nicht. Zieh los mit deiner Gruppe. Aber laß den Donnerkeil hier. Er gehört dir nicht. Die Bürgerschaft hat ihn dir anvertraut, weil du kräftig bist, ein gutes Auge und sichere Hände hast.«
Der Schmale Tortor sah Kalle an. »Verlangst du von mir, daß ich die Gruppe ohne die Waffe auf Nahrungssuche führe, die ihren Schutz bedeutet? Das kann die Bürgerschaft weder von mir noch der Gruppe verlangen. Wenn du darauf bestehen willst, dann sag du’s der Gruppe.« Er trat dicht vor den Strahlenwart. »Damit könntest du die Bürgerschaft spalten, das weißt du. Elfie und ihre Sippschaft reden schon lange davon, sich womöglich abzusondern und in das Parkhaus am Bahnhof zu ziehen. Du weißt auch, was das heißt. Es käme bestimmt bald zu Zusammenstößen zwischen unseren und ihren Nahrungssuchern.« Er setzte den Kolben des Donnerkeils auf den steinernen Boden der Dachterrasse und stützte sich auf den klobigen Lauf. »Wir müssen Streitigkeiten und Entzweiungen meiden.«
»Damit hast du vollkommen recht …« Kalle schaute zur Seite. »Ich weiß es, ja, ja, aber trotzdem … ohne den Donnerkeil … was soll werden …?«
»Denk nicht an Waffen«, sagte Zella zu ihm. »Haben wir sie, soll’s recht sein. Aber wir benötigen sie nicht. Die Zukunft, die ich für uns sehe, ist eine ohne Waffen.«
Kalle sah sie versonnenen Blicks an. »Vielleicht bist du eine Närrin, Zella«, meinte er nach einem Weilchen. »Vielleicht bin ich ein noch größerer Narr, weil ich so unbegrenztes Vertrauen zu dir habe und dir aus irgendeinem Grund uneingeschränkt glaube. Aber ich halte es für
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