Die Terranauten 037 - Sternenlegende

etwas anderes getan.
    »Neigungswinkel nimmt zu«, hauchte das vierzehnjährige Mädchen atemlos. Auch Narda hatte sich verändert, nicht nur äußerlich. Sie war noch immer zierlich, aber ihr Körper war weicher und an den richtigen Stellen runder. In ihrem Innern aber war etwas hart geworden, so hart, daß sie darüber manchmal selbst erschrak. Die Zeit im Internierungslager hatte ihre Spuren hinterlassen …
    »Ich weiß«, keuchte Rollo plötzlich, und von seiner Stirn tropfte der Schweiß. Aus dem Heckbereich drang das Dröhnen der schweren Motoren an ihre Ohren.
    Der Lautsprecher knackte.
    »Verdammt, Schlicktaucher, überall …«
    Narda warf dem Deneb-Geborenen einen raschen Blick zu. Er kniff die Augen zusammen und zog entschlossen einen kurzen Hebel zu sich heran. Das Dröhnen in ihrem Rücken verstärkte sich, dann ging ein Ruck durch das Fahrzeug. Gleichzeitig kippte es wieder nach rechts. Irgendwo rumorte etwas.
    »Schlicktaucher«, wiederholte Rollo langsam. »Das hat uns gerade noch gefehlt.«
    Sie waren in dieser unwirtlichen Region Taschkanurs etwa fünfzehn Kilometer vom Internierungslager entfernt. Keine große Entfernung, aber doch groß genug, um nicht mit Hilfe rechnen zu können. Aber selbst wenn das Lager hinter der nächsten Hügelkuppe gelegen hätte, würde man ihnen keine Hilfe schicken. Niemand wagte sich in ein Gebiet, in dem Schlicktaucher gesichtet wurden. Nicht ohne einen triftigen Grund. Und das Leben von einigen internierten Treibern war nicht sonderlich viel wert.
    Das Rumoren wiederholte sich, dann rollte der Donner einer Detonation über sie hinweg, durchdrang selbst die Isolierung der Raupe. Nicht weit vor ihnen leckte plötzlich eine Feuerlohe in den Himmel. Die Druckwelle zerrte schwer an dem Fahrzeug.
    »Wenn wir nur etwas sehen könnten …«
    Den Zyklon, dessen erste Ausläufer sie jetzt zu spüren bekamen, hatten sie bereits vor einer halben Stunde gesichtet. Dieser Sturm, im Norden Taschkanurs an der Tagesordnung, erreichte Windgeschwindigkeiten von bis zu dreihundert Stundenkilometern. Das war eine Gefahr, die sie kannten und die sie in den Raupen nicht fürchten mußten. Zusammen mit einem Angriff von Schlicktauchern aber konnte ein Sturm den Untergang bringen.
    »Wagen Eins an Kolonnenführer«, sagte Rollo in das Mikrophon der internen Verbindung. »Was ist …?«
    »Wagen Eins, Sie haben keine Sprecherlaubnis. Folgen Sie dem Kurs!«
    »Vielleicht ist es eine der Bomben gewesen«, vermutete Narda, ohne recht daran zu glauben. »Zu früh losgegangen.«
    Das kam von Zeit zu Zeit schon einmal vor. Die kleinen, aber leistungsstarken Bomben, mit denen die unterirdischen Grotten gesprengt wurden, die in Zukunft möglicherweise zu einer Gefahr für die Protop-Bauten einer Stadt werden konnten, explodierten nicht nur durch die Funkzündung, sondern auch durch die Einwirkungen zu starker Gesteinsverschiebungen. Das Sumpfland lag über einem tektonisch sehr aktiven Grund. Ein Sumpfland, das praktisch den gesamten Planeten bedeckte.
    Narda beugte sich vor und erblaßte. Sie glaubte, eine schemenhafte Gestalt durch die Transparentfläche vor ihnen erkannt zu haben, ein Etwas, das auf einem krötenähnlichen Geschöpf gekauert hatte.
    Wieder das unheilverkündende Grollen. Der Heckbereich der Raupe sackte so plötzlich weg, als hätte sich der Untergrund von einer Sekunde zur anderen in Luft aufgelöst. Narda wurde hart in ihre Gurte geworfen und stöhnte vor Schmerz. Rollo hingegen war in seinem gravoneutralen Feld als Fahrer geschützt.
    »Narda, was …?«
    »Schon gut«, gab sie leise zurück. »Ich bin in Ordnung.«
    Es mußten Schlicktaucher sein. Narda hatte schon viel von diesen bizarren Lebewesen gehört, die in den großen Schlickmeeren im Norden leben sollten. Aber sie waren hier noch mindestens zwanzig Kilometer von ihrem Gebiet entfernt. Boden, der jäh nachgab, Grotten, die ohne Bombeneinsatz einstürzten – das alles ließ nur auf Schlicktaucher schließen.
    »Wagen Vier. Wir brauchen Hilfe! Wir …«
    Die Stimme erstarb von einem Augenblick zum anderen.
    »Wagen Vier«, hauchte Narda. »Das sind Greeny und Jalas. Bei Yggdrasil, wenn den beiden etwas geschehen ist …«
    Rollo ließ seine Hände über die Kontrollen gleiten. Die Gleisketten gruben sich tief in den Boden und katapultierten das tonnenschwere Gefährt fast aus dem Trichter heraus, der dicht hinter ihnen entstanden war.
    »Wagen Eins, bleiben Sie auf Kurs.«
    »Sie können uns mal!« erwiderte Narda