Die Terranauten 043 - Zuchtstation der Supertreiber
nur von Zeit zu Zeit die Augen. Ihre Geister schienen in einer anderen Welt zu weilen, aus der sie sich nicht befreien konnten. Prime wußte nicht, was die beiden innerhalb der Korallenstadt erlebt hatten, auf die sie mitten im Ozean gestoßen waren. Er hatte sie bewußtlos gefunden und sie gerade noch rechtzeitig zurück auf die Seerosenqualle schaffen können, bevor sich die Gänge der Korallenstadt geschlossen hatten.
Seitdem befanden sich Lyda Mar und Damon Credock in einer seltsamen Starre.
»Verdammt, kommt endlich zu euch!« brüllte Prime, um das Tosen des Sturmes zu übertönen. Er wagte nicht, sich aufzurichten und zu den beiden hinüberzukriechen. Jeden Augenblick konnte eine weitere Welle über die Qualle hinwegrollen. »Hört ihr nicht?«
Ennerk Prime ballte in hilfloser Wut die Hände zu Fäusten. Nur Lyda Mar und Damon Credock konnten mit Hilfe ihrer Mittlerfähigkeiten die Seerosenqualle steuern. Er war nur ein Passagier.
Prime legte den Kopf in den Nacken. Der Himmel war dunkel, fast schwarz. Wo befanden sie sich überhaupt? Wo hatte der Sturm sie inzwischen hingetrieben?
Er wandte sich zur Seite. Im Westen baute sich eine weitere Welle auf, größer als alle, die Prime bisher gesehen hatte. Er schluckte hart. Die massive Wand aus Wasser und sprühendem Schaum rollte genau auf ihr schwankendes Gefährt zu. Die Seerosenqualle machte ohnehin nicht gerade den Eindruck, als sei sie sonderlich stabil. Diesem Sturm aber konnte sie unmöglich noch lange standhalten. Vielleicht würde die Welle dort bereits das Ende bringen. Wahrscheinlich würde die Qualle auseinanderbrechen.
Ennerk Prime stieß einen ellenlangen Fluch aus und schlang mehrere Tentakel um seinen Körper. Er versuchte, sich so fest wie möglich an dem hochgewölbten Rand der Seerosenqualle festzuzurren, und er war gerade damit fertig, als die Wasserwand heran war.
Meterhoch über ihm rauschte die Schaumkrone. Er glaubte, keinen heilen Knochen mehr im Leibe zu haben, als sich die Welle brach und die Wassermassen auf die Qualle hinabstürzten. Er hielt die Luft an, aber nach einigen Sekunden hielt er es nicht mehr aus. Um ihn herum schien nur noch zerrendes Wasser zu existieren, und einen entsetzlichen Augenblick lang befürchtete er, davongerissen worden zu sein. Dann lichtete sich der sprühende Vorhang wieder, und er atmete auf.
»Lyda! Damon!«
Nur undeutlich nahm er wahr, daß seine beiden Gefährten sich aufgerichtet hatten und heftig gestikulierten.
»Endlich!«
»Bleib, wo du bist!« rief Lyda. »Und … Danke!«
Ennerk Prime lächelte. Er hatte nicht mehr geglaubt, daß sich Lyda und Damon aus ihrer seltsamen Starre befreien konnten. Prime sah, wie sich die beiden Mittler konzentrierten, offenbar versuchten, die Seerosenqualle mit Hilfe ihrer besonderen Fähigkeiten aus diesem Inferno hinauszusteuern.
Der Treiber ließ sich erleichtert zurücksinken.
Eine gute Stunde später erhellte sich der Himmel zusehends, und auch der Seegang schien geringer geworden zu sein. Erst jetzt wurde Prime bewußt, wie elend er sich fühlte, und er übergab sich mehrmals.
Eine weitere Stunde später hatten sie den Sturm hinter sich gelassen.
»Wir haben es geschafft«, sagte Prime langsam, so, als könne er es noch nicht fassen. Damon klopfte ihm auf die Schulter.
»Ohne deine Hilfe wären wir jetzt tot.«
Prime winkte ab. »Was war eigentlich mit euch los? Ich habe versucht, euch wieder zu Verstand zu bringen, aber es war zwecklos. Die Korallenstadt. Ihr müßt dort etwas gesehen haben, das …«
Damon Credock warf Lyda einen kurzen Blick zu.
»Das«, sagte er dann, »ist eine lange Geschichte.«
»He!« rief Lyda. »Was ist das denn?«
Sie legten die Köpfe in den Nacken. Am Himmel kreiste ein halbes Dutzend dunkler Punkte und schienen langsam näher zu kommen.
»Schwarze Vögel«, sagte Credock, »ähnlich dem, der eine Weile unsere Überfahrt begleitet hat. Vielleicht ist die Küste des Südkontinents schon ganz in der Nähe …«
*
Der Forschungs-Arbiter hob den Kopf und warf einen Blick in den angrenzenden Raum, von dem er durch massives Panzerprotop getrennt wurde. Unmittelbar hinter dem transparenten Protop schien die Luft leicht zu flimmern. Die Schlieren waren auf ein energetisches Feld zurückzuführen, dessen Projektoren leise summten. Das Experiment konnte beginnen. Eines von hunderten aus der Alpha-Versuchsreihe, für die der Arbiter verantwortlich war.
Der Raum jenseits der Barriere war annähernd kahl.
Weitere Kostenlose Bücher