Die Terranauten 048 - Narda und der Lordoberst
kegelähnlichen Stumpf, der wie ein überdimensionaler Finger aus den Fluten emporragte. Die maritime Korallenstadt auf Sarym, dessen oberste Spitze aus dem Meer ragte, jetzt, während der Großen Ebbe. Sie sah noch einmal das Gesicht des Mannes, den sie geliebt hatte, Damon Credock, ein Treiber wie sie, der schon seit vielen Jahren auf Sarym gelebt hatte. Sie sah die seltsamen, korallenartigen Gänge im Innern des Kegels, wurde noch einmal Zeuge der rätselhaften Metamorphose der Traumhaken. Sie lauschte den Nachklängen in der PSI-Aura der Korallenstadt, nahm teil an ihrem Wehklagen, sah das Antlitz Mar-Estos’, den sie unter dem Namen Llewellyn 709 kannte. Der Kontakt mit der PSI-Aura war intensiv gewesen, aber er hätte, das spürte sie jetzt, noch viel tiefgehender sein können. Nicht alle Informationen waren ihr übermittelt worden. Sie hörte von der Katastrophe, die über die Knospen des Baumes hereingebrochen war, von der großen Aufgabe der Sammler, von denen doch nur einer zurückgekehrt war. Sie beobachtete die Geburt von sieben neuen Sammlern, die wieder hinausgeschickt wurden, um die verschollenen Knospen zu suchen, hörte die Verzweiflung in den Stimmen der unversehrten Auren der Korallenstädte.
Eine neue Kaiserkraft-Katastrophe, die sich ankündigte …
Aber sie sah auch noch etwas anderes.
Zwei Körper, die sich rhythmisch bewegten, zu einer Einheit verschmolzen waren, auch im Geiste. Noch einmal spürte sie die liebevollen Arme Damon Credocks, noch einmal erlebte sie die geschlechtliche Vereinigung, eingehüllt von den Stimmen der PSI-Aura.
Und plötzlich begriff sie.
Du erinnerst dich jetzt also, murmelte eine seltsame, noch undeutliche Stimme nahe an ihrem Denken. Endlich!
Du bist …
Das neue Leben, das in dir wächst, unterhalb deines Herzens.
Der Embryo, den sie in der maritimen Korallenstadt gezeugt hatten, das Erbe Damon Credocks, der von Hermano Lotz umgebracht worden war. Ein Kind, nicht mehr als eine Frucht, das doch in der Lage war, Kontakt zu seiner Mutter aufzunehmen. Wärme erfüllte Lyda Mar, eine Wärme, die sie noch nie zuvor gespürt hatte. Ein werdender Mensch, in dem Dämon weiterleben würde. Ein Mensch, der ungewöhnlich sein würde, anders als alle anderen, in einer PSI-Aura gezeugt.
Einige Sekunden lang fragte sich die immer noch in einem Traum gefangene Lyda Mar, ob dies ein Zufall war oder ob die körperliche und geistige Verschmelzung, die neues Leben hatte entstehen lassen, eine größere Bedeutung besaß, einen verborgenen Sinn …
Noch kann ich nur im Traum zu dir sprechen, flüsterte Aura Damona Mar. Es würde ein Mädchen werden, wußte Lyda. Sie horchte. Noch bin ich nicht stark. Aber meine Zeit wird kommen. Höre mir zu. Es ist wichtig.
Ganz deutlich spürte Lyda, daß das Wissen Aura Damonas ihr Wissen war. Schon lange hatte sie in ihren Gedanken existiert, aber erst jetzt konnte Lyda die wachsende Frucht spüren.
Ihr befindet euch nicht zufällig in dieser Welt. Nur eure Anwesenheit hier auf dem Planeten einer sterbenden Sonne verhindert, daß das wirkliche Unheil durch den Riß zwischen den Kontinua in eure Welt eindringt. Entfernt ihr euch von dieser Welt, so schwindet auch die Barriere, die den Riß abdichtet. Eine Katastrophe, die alles überschreitet, was du dir vorzustellen vermagst. Eure wirklichen Körper befinden sich noch an Bord der BERLIN. Wenn sie von dem Schwarzen Loch entfernt werden, dann hat das die gleiche Wirkung, als verschwändet ihr von dieser Welt. Ihr verhindert, daß ein ganzer galaktischer Sektor dem Untergang anheimfällt.
Unser Tod ist also der Preis für die Abwendung der Katastrophe, dachte Lyda Mar und fühlte dabei keine Angst.
Aura Damona wollte ihr antworten, aber ihr Gedankenstrom wurde so schwach, daß Lyda die in ihrem Leib wachsende Tochter nicht mehr verstehen konnte.
Ich will nicht erwachen, dachte sie. Noch nicht.
Aber kaum war dieser Gedanke verhallt, da schlug sie die Augen auf.
*
Niemand wußte, wie sie in das Innere der Stadt gelangt waren. Niemand vermochte zu sagen, wer sie vor dem Tod unter den erbarmungslosen Strahlen einer zur Nova werdenden Sonne gerettet hatte. Die Gänge und Korridore, durch die David, Llewellyn und Lyda schritten, waren leer und verlassen, und das einzige Geräusch, das an ihre Ohren drang, war das Klacken ihrer Stiefel.
Lyda hatte von ihrem Traum erzählt. Aber sie wußte nicht recht, ob David und Llewellyn ihr glaubten. Es klang zu phantastisch, und ihre
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