Die Terranauten 056 - Die Drachenhexen
diese Weise Signale.
Als Nell glaubte, vor Erschöpfung keinen Schritt mehr gehen zu können, wurde das vor ihnen liegende Waldgebiet lichter. Kurz darauf betraten sie eine grasbewachsene Ebene. Feiner Morgennebel hing über dem Land und am Ende des flachen Gebiets zeichnete sich eine zerklüftete Erhebung ab. Der Hügel!
Nell hätte einen Freudenschrei ausstoßen können, aber jetzt galt es, den Atem zu sparen. Sie hatten die erste Hälfte der Ebene gerade überwunden, als Narda ihr eine Warnung zurief. Ihre PSI-Sinne hatten in der näheren Umgebung offenbar eine Gefahr entdeckt, die für Normalmenschen unregistrierbar war. Asen-Ger blieb zurück, schwang seine Waffe und suchte nach einer Deckung. »Lauft weiter!« schrie er. »Macht euch keine Sorgen um mich.«
Nell wollte protestieren, aber im gleichen Augenblick fühlte sie sich von Narda an die Hand genommen. Der Hügelansatz war noch etwa fünfhundert Meter von ihr entfernt. Jetzt kam es nur noch auf ihre Ausdauer an.
Schweißbedeckt ließen sich die beiden Frauen kurz darauf hinter einen klobigen Felsen fallen. Als sie sich umwandten, sahen sie, daß Asen-Ger ihnen mit langen Sätzen folgte. Am Waldrand bewegten sich zwei dunkle Gestalten. Die Verfolger schienen durch die Nebelschwaden abgelenkt zu sein, denn sie schossen noch nicht. Erst als Asen-Ger Nell und Narda erreicht hatte, eröffneten sie das Feuer.
»Wenn wir den Hügelkamm erreichen, bevor sie die Ebene überquert haben«, sagte Nell hastig, »sind wir in Sicherheit. Man kann von dort oben aus das ganze Land überblicken.«
»Ihr geht voraus«, entschied Asen-Ger, nachdem er sich umgesehen und näher mit der Landschaft vertraut gemacht hatte. »Ich halte euch die beiden Burschen so lange vom Leib!«
Narda nickte. Sie legte einen Arm um Nells Schulter und fragte: »Kannst du noch?«
»Es ist keine Frage des Könnens mehr«, sagte Nell und setzte sich in Bewegung. Der Felsboden war glatt, und man kam nur sehr schlecht auf ihm vorwärts. Einmal scheuchten sie ein kleines Nagetier auf und wären vor Schreck beinahe abgestürzt, aber je mehr die Steigung zunahm, desto verbissener setzte sie sich gegen den Gedanken zur Wehr, am Ende ihrer Kräfte zu sein. Es waren die Angst vor zwei erbarmungslosen Mordgesellen, die sie vorwärts trieb, und die Vorstellung, für etwas sterben zu sollen, das ihr noch gar nicht richtig ins Bewußtsein gedrungen war. Sie hatte sich zwei Menschen als Führerin zur Verfügung gestellt, die in Dinge verwickelt waren, die ihren Horizont überstiegen. War es ein Wunder, daß man keine Rücksicht auf sie nahm? Mitgefangen, mitgehangen.
Als Nell sich über die Hügelkuppe zog, löste sich der Nebel auf. Von hier oben aus hatte sie einen ausgezeichneten Ausblick. Helmer und Anjak waren Asen-Ger bereits ziemlich nahe gekommen. Sie lagen in einer Mulde, etwa vierhundert Meter von ihm entfernt, und schienen darauf zu warten, daß er aus seiner Deckung kam. Den Gefallen schien er ihnen allerdings nicht tun zu wollen.
Narda legte sich neben Nell flach auf den Bauch, zog eine zusammengerollte Kunststoffschnur aus der Tasche und knotete das eine Ende um einen Stein. Auf ihrem mädchenhaften Gesicht zeichnete sich höchste Konzentration ab. Sie warf den Stein in die Tiefe. Asen-Ger fing ihn auf, löste ihn von der beinahe unsichtbaren Schnur ab und befestigte statt dessen den Laser daran. Dann gab er Narda eine unhörbare telepathische Anweisung.
Das Mädchen reagierte schnell und geschickt. Es vergingen keine zehn Sekunden, dann hielt Narda die Waffe in den Händen und nahm von der Hügelkuppe aus die Mulde unter Feuer, in der die Verfolger sich verschanzt hatten. Es blieb Helmer und Anjak nichts anderes übrig, als sich noch tiefer gegen den Boden zu pressen, wenn sie nicht gegrillt werden wollten. Sie hoben die Köpfe erst wieder, als Asen-Ger seine Deckung verlassen hatte und sich in Sicherheit befand. In ohnmächtiger Wut belegten die beiden die Hügelkuppe mit Feuer. Aber es war bereits zu spät.
Nell duckte sich und gab den anderen ein Zeichen. Das vor ihnen liegende Gelände war zwar flach, aber über eine Distanz von einhundert Metern ziemlich holprig und von zahlreichen Löchern durchsetzt. Dahinter schloß sich ein kleines Waldgebiet an, das den größten Teil der Hügelkrone einnahm. Die Bäume, die ihnen die Sicht verwehrten, waren mehr als dreißig Meter hoch, überragten jedoch nicht die Turmspitze, die sich im Mittelpunkt des Wäldchens erhob. Mit einem
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