Die Terranauten 057 - Fahrt zum Ende der Welt
zogen an ihrem inneren Auge vorbei. Sie sah Hütten, eine große, beschädigte Kuppel. Sie sah Blütenkelche, die sich wie auf ein geheimes Signal hin öffneten.
Und sie begriff. Die Lähmung ihres Verstandes ließ weiter nach.
Ich habe eine Aufgabe, erinnerte sie sich. Eine wichtige Aufgabe. Und ich habe schon viel Zeit verloren. Mitleid war in ihr. Sie dachte an die Ayayh, an das Schicksal der Gefangenen, an das schreckliche Bild der aufgequollenen Frau auf der Brutliege.
Sie legte den Kopf in den Nacken und horchte in den psionischen Äther hinein. Das Muster, das sie suchte, war noch immer nicht aufzuspüren. Dafür aber nahm sie etwas anderes wahr, die rudimentären Gedanken ihres treuen Gefährten.
Komm hierher, Sufnor.
Sie wartete nicht lange. Kurz nach ihrem Ruf erfüllte ein dumpfes Rauschen die Luft. Ein Schatten senkte sich neben ihr nieder. Zähne blitzten.
»Kraak!« machte der Drache. »Liebes Kerlchen hat viel Freude.«
Und er humpelte an ihre Seite, liebkoste sie ungestüm. Nayala mußte unwillkürlich lachen. »Schon gut, schon gut.«
»Der Dämon ist wieder da!« gellte ein entsetzter Ruf. Nayala wirbelte herum. Die Frau – die Pflegerin – war aufgewacht und blickte Sufnor aus weit aufgerissenen Augen an. Der Mann regte sich jetzt ebenfalls – und kam mit einem einzigen Satz auf die Beine. Sofort griff er nach seinem Speer. Nayala hob beschwichtigend die Hände.
»Sorgt euch nicht. Das ist mein Drache, Sufnor ist sein Name. Ein lieber Kerl. Er tut niemandem etwas zuleide.«
Der Gedankeninhalt der beiden Ayayh lag offen vor ihr.
Ein Matriarchat, dachte sie. Aber völlig anders als auf Adzharis.
»Schreckliches ist geschehen«, sagte Taihmis und senkte den Kopf. »Der Stamm ist überfallen worden, die Unsrigen verschleppt. Nur wir sind übriggeblieben. Aber wir haben dich. Du bist eine Brutmutter. Du wirst einen neuen Stamm schaffen. Größer als der erste.«
Nayala schüttelte langsam den Kopf.
»Nein, Taihmis. Ich muß dich enttäuschen.« Und sie versuchte, den beiden Ayayh zu erklären, welche Aufgabe sie zu erledigen hatte. Sie lauschten ihr mit großen Augen, begriffen aber offensichtlich nicht alles. Nayala seufzte.
»Ich muß euch verlassen.«
»Dann«, sagte die Pflegerin traurig, »werden die Ayayh endgültig sterben. Dann gibt es keine Hoffnung mehr.«
Nayala schüttelte den Kopf. »Euer Stamm stirbt nicht, weil ihr keine neue Brutmutter gefunden habt. Der Niedergang war abzusehen. Das genetische Material, das ihr verwendet habt, war geschädigt. Ihr wart zu einseitig ausgerichtet. In einigen Jahren wäre es zu einem Einbruch gekommen, der weitere Degenerationen zur Folge gehabt hätte.«
Die Ayayh sahen die Drachenhexe verwirrt an. Nein, sie verstanden nicht. Sie konnten nicht verstehen. Seit einigen Jahrhunderten lebten sie isoliert von den anderen Menschengruppen auf Rorqual; seit Jahrhunderten verehrten sie die Brutmütter. Ihre Vorfahren hatten in der Not einen falschen Weg beschritten. War überhaupt noch eine Umkehr möglich?
»Nicht alle Ayayh wurden von den Angreifern verschleppt«, sagte sie sanft. »Es gibt noch andere, die sich in den Wäldern verborgen haben. Findet sie, und zieht mit ihnen nach Süden.«
Sie horchte in sich hinein.
»Drei Tagesmärsche von hier entfernt befinden sich Freunde, die ebenfalls nach Süden ziehen. Fragt nach Layla und Marcel d’Guinne. Sie werden euch helfen. Sagt, David terGorden hätte euch geschickt. Berichtet ihnen, was mit eurem Stamm geschah. Bittet sie, euch aufzunehmen. Sie werden euch sicher aus dem Waldland herausführen. Und sie werden euch vor weiteren Angreifern beschützen.«
Nayala erhob sich und stieg auf ihren Drachen. »Kraak!« machte Sufnor freudig.
»Mein Herz ist mit euch«, sagte sie noch, dann stieg Sufnor auf. Unter ihr blieben zwei einsame Menschen zurück.
*
Ein Schatten erzählt:
Gegen Abend liefen wir in den Hafen von Xalihat ein. Die Eintragung auf Glencannons Karte war ein wenig irreführend. Xalihat war keine große Stadt. Eher ein Dorf. Aber dieses Dorf verfügte über einen Hochseehafen, und nur darauf kam es an.
Die Fischer des Zweimastschoners ließen mich nur ungern gehen. Sie hatten darauf gehofft, daß ich ihnen Geschichten erzählen würde, daß ich ihnen von meiner Reise auf dem Rücken des Rochens erzählte. Doch ich blieb stumm.
Jappa, der Schmied, bearbeitete mein erbeutetes Metall. Er betrog mich dabei nach Kräften, aber das gehörte zu seinem Beruf. Ich erhielt
Weitere Kostenlose Bücher