Die Terranauten 090 - Das Schiff des Friedens
weiß es nicht, mein Schüler«, gab Djirad ehrlich zurück. »Ich glaube, wir haben uns verirrt.«
Allein der Gedanke erschreckte den jungen Schianta.
»Du bist doch ein Weiser Lehrer«, gab Catala zu bedenken. Sie schwammen ruhig dahin. Unter ihnen war alles finster. Ihre Sonarrufe hallten verzerrt, wider. Rückschlüsse auf Tiefe und mögliche Korallenberge waren dadurch unmöglich. »Du weißt alles. Bring uns bitte zurück nach Hause.« Und er schmiegte sich noch enger an den großen und starken Körper Djirads. Aus einem Reflex heraus füllten sich dadurch auch seine Erotikkammern. Anregende Duftstoffe entströmten den Bereitdrüsen.
»Ich bin ein Weiser Lehrer«, bestätigte Djirad. Unablässig ertönten seine Sonarrufe: schrill und laut und intensiv. Und immer waren die Echos verzerrt und unverständlich. Niemand antwortete auf ihre Identifizierungsrufe. Sie mußten sich bereits weit von ihrem Hort entfernt haben. »Aber ich bin dennoch nicht allwissend, mein Schüler. Auch wir Weisen Schianta machen Fehler. Von Zeit zu Zeit.«
»Und du kannst den Rückweg nicht mehr finden?«
Wieder ein verzerrtes Echo. Djirad konnte seine zunehmende Verunsicherung nicht mehr vor seinem Schüler verbergen.
»Wir sollten froh sein, daß wir noch leben«, erwiderte der Erstlehrer. »Bedenke wohl, mein Schüler: Die Heißzonen hätten uns auch töten können, hätte uns nicht eine seltene Seitenströmung davongetrieben und aus dem Bereich der emporströmenden Wasser getragen. Wir leben und sind unverletzt.«
»Aber dies …« Erstickt. Voller Unruhe. Und Angst. »Aber dies ist eine andere Welt. Nicht die, die ich kenne. Ich fürchte mich.«
Eine Breitflosse streichelte seine Kiemen. Es war ein wunderbares Gefühl.
»Auch ich«, gab Djirad zu, »bin noch niemals zuvor in diesen Trübbereichen gewesen.« Ein kräftiger Schlag mit der Schwanzflosse, und sie entfernten sich von einem Aufwärtsstrudel, der der Oberfläche entgegenstrebte. Sie waren ohnehin viel zu hoch, viel zu weit in den Geringen Tiefen. Die Sauerstoffkonzentration war enorm. Ein fast permanentes Rauschgefühl war die Folge.
Voraus wurde das Wasser klarer.
»Werden wir überhaupt jemals zurückfinden?« erkundigte sich Catala besorgt. Djirad gab keine Antwort, bewegte die Flossen und erhöhte damit ihre Geschwindigkeit. Die Trübzone blieb hinter ihnen zurück. Jetzt war wieder weite Sicht möglich. Und das Wasser war auch ein wenig kühler.
Weit unter ihnen glühte es rot. Schwärme von Silberschwimmern glitten davon, als sich die beiden Schianta von einer Abwärtsströmung hinabtragen ließen.
»Die Glut der Welt«, sagte Catala ehrfürchtig. »Es ist eine Wunde, aus der sich Hitze in die Mittleren Wasser ergießt.«
Es war ein Berg, der vom Grund der Welt bis zu den Mittleren Wassern emporragte. Djirad konnte sich nicht erinnern, jemals von diesem Berg gehört zu haben. Das konnte nur bedeuten, daß sie wirklich sehr weit von ihrem Hort und ihren Familien entfernt waren. Er gab sich Mühe, seine Enttäuschung nicht allzu deutlich zu zeigen. Catala würde mit der Zeit verstehen. Ihm jetzt alles auf einmal begreiflich machen zu wollen, wäre ein Fehler gewesen.
Sie wichen den Glutströmen aus. Heißwasser perlte der Oberfläche entgegen, und direkt unter der Bergwunde, in der es rot kochte, befand sich eine Ätzzone, die langsam wuchs.
Sie wichen ihr vorsichtig aus, glitten an den planktonbesetzten Hängen des Bergrückens entlang und ließen sich dann von einer anderen Strömung wieder emportragen zu den Geringen Tiefen. Neben dem Hellicht jenseits der Nassen Welt glühte noch immer der andere Glanzpunkt.
»Die Veränderung«, sagte Catala, »ist also noch nicht zu Ende. Sie erreicht unterschiedliche Qualitäten. Vielleicht erfaßt sie nicht die gesamte Nasse Welt. Vielleicht werden einige Bereiche verschont …«
Djirad zeigte nicht, wie überrascht er aufgrund der tiefen Gedankengänge seines Schülers war. Er hatte ohnehin immer gewußt, daß Catala ein besonders begabter und besonders intelligenter junger Schianta war.
»Vielleicht«, sagte er, »vielleicht finden wir einen Fremdhort. Vielleicht können uns Fremdfamilien den Weg zurück in unsere Heimat weisen.«
Es war eine nur schwache Hoffnung.
Denn hier, in diesen unbekannten Bereichen, war nicht einmal der ferne Wärmehauch der Nordströmung wahrzunehmen …
Djirad rief mit seiner Sonarstimme. Aber wieder erhielt er keine Antwort. Nur ein verzerrtes, unverständliches Echo, nichts
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