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Die Terranauten TB 01 - Sternenstaub

Die Terranauten TB 01 - Sternenstaub

Titel: Die Terranauten TB 01 - Sternenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf W. Liersch
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Chefchirurg. »Erst das Ding … und dann den Rest!«
    »Den Rest?« fragte die zarte Stimme.
    »Den Rest dieses Menschen, wenn das überhaupt ein Mensch ist«, brüllte der Chirurg. »Ich kann seinen Anblick nicht ertragen. Ich kann ihn nicht mehr hören!«
    Der Schrei verebbte wie der Schmerz. Aber die Erinnerung blieb. Nichts würde wieder sein wie zuvor.
    Mayor fühlte sich verwirrt. Der Schmerz war fast fort, aber ein Teil seiner selbst war ebenfalls weg, unwiederbringlich. Er fühlte, was ihm fehlte, und sie hatten ihn betrogen. Er hatte sich gerächt, für einen Augenblick, aber diese Rache würde nicht ausreichen. Mayor war sich sicher, daß nichts ausreichen würde, diesen Wunsch nach Rache zu befriedigen.
    Die Männlichkeit des Kriegers. Sein rechter Arm.
    Wofür? Was hatte man ihm angetan? Zu welchem Zweck? Er hatte keine Erinnerung an etwas, das eine Bestrafung dieser Form gerechtfertigt hätte. Natürlich hackte man Dieben den rechten Arm ab, aber was hatte er gestohlen?
    Er stöhnte.
    »Bringt ihn raus«, wiederholte der Chirurg. Seine Stimme wirkte flach und wie ein Echo des eben erlebten mentalen Ansturms.
    »Ihr Auftrag, Künstler«, sagte die sanfte Stimme.
    »Sie brauchen mich nicht zu erinnern, Schwester Jana. Wir werden unseren Auftrag ausführen, zu einem Zeitpunkt, der mir paßt. Jetzt nicht. Jetzt schafft ihn fort.«
    »Ihr verdammten Verbrecher!« flüsterte Mayor schwach. Er fühlte, daß sich der Tisch, auf dem er festgeschnallt lag, in Bewegung versetzte. Er öffnete die Augen, sah aber nur weiße Wände, die an ihm vorbeiglitten.
    »Leute wie Sie haben den Krieg geführt«, sagte der Chirurg kalt.
    Viele Gedanken vermischten sich in Mayors kranken, umnebelten, gequälten Hirn. Er wollte sagen: Wir haben den Krieg nicht geführt, wir haben ihn nur ausgeführt. Oder er wollte sagen: Auf einer Ebene, die der des Krieges ähnlich ist, führt Ihr ihn fort. Er wollte sagen, daß jeder Mensch Herr seines Körpers und seines Geistes sein sollte. Und er wollte sagen, daß die Menschheit nichts gelernt hatte, trotz dieses schrecklichen Krieges, der alle Dinge eingeleitet hatte, von denen jetzt die FFF-Monopole voll waren. Aber er sagte nichts, weil er nichts sagen konnte – und weil nichts zu sagen blieb, nicht zu diesen Menschen.
    Sie schoben ihn in eine Kammer, deren Wände natürlich ebenfalls weiß schimmerten, und Mayor war völlig hilflos.
    Er war kein Schwächling. Alles andere als das. Mayor war ein Soldat. Er hatte seinen Namen verloren, aber er war Mayor gewesen, das wußte er, und daran erinnerte er sich auch weiterhin. Das war schon etwas, immerhin.
    Aber seine Kraft reichte nicht aus, die Gurte zu sprengen. Und seine Kraft reichte nicht aus, um die richtigen Worte zu finden.
    Er war allein.
    Allein mit einem Blumentopf.
    Mayor fühlte plötzlich die Anwesenheit eines Wesens, das nicht menschlich und nicht einmal fleischlich war. Er spürte die Anwesenheit einer Pflanze. Und trotz seiner Schwäche, seines Verlustes, seiner Trauer und seines Hasses, mußte er fast darüber lachen.
    Das Wesen, die Pflanze, stand auf einem Fensterbrett. Das Fenster war vergittert, natürlich, und das Fensterbrett mit der Pflanze konnte er nur sehen, wenn er seinen Hals so verrenkte, daß ihm die Riemen tief in den Hals schnitten, ihm fast die Schlagader abschnürten.
    Eine Weile überlegte er, ob er nicht längst Halluzinationen, Wahnvorstellungen erlebte, des Schmerzes wegen, oder auch wegen dieses Schreis, den er ausgestoßen hatte.
    Mayor spürte plötzlich – und der Gedanke an sein Verrücktsein wurde ihm darüber gleichgültig, daß das Echo seines Schreis die Pflanze erreicht haben mußte. Sie neigte in einer für sie offenbar ungeheuren Kraftanstrengung ihre Blätter und Blüten ihm zu. Gedanken strömten auf ihn ein, nein, Gefühle, oder eine Mischung von beiden. Mayor hatte nie zuvor etwas derartiges erfahren, und er reagierte rein emotional.
    Dann müßte der Blumenkohl schreien, wenn man ihn kocht, aufschneidet und mit einer heißen Soße begießt, um ihn schließlich zu verzehren. Dann müßte das Gras weinen, wenn man es betritt und zerknickt. Dann müßten die Bäume jammern, die man fällt!
    »Alles ist richtig, und alles ist falsch«, sagte die Pflanze, deren Namen er nicht einmal wußte. »Ihr könnt viel näher herangehen an dieses Thema. Ihr schlachtet Schweine und wißt doch, daß das Schwein das dem Menschen ähnlichste Lebewesen auf Erden ist, dem Sex wie dem Alkohol gleichermaßen

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