Die Terranauten TB 06 - Monument der Titanen
des glitzernden Wassers und schob ihn in die Reichweite des am Boden Liegenden.
»Hier!« rief sie. »Halte dich daran fest. Hörst du?«
Du mußt lieben, Nayala. Lieben …
Die rudimentären Kiemen an den Hüften des Fremden rasselten und bliesen Sandfontänen. Die Augenklappen öffneten und schlossen sich in raschem Rhythmus, und die Weichschuppen waren steil aufgerichtet.
»Greif nach dem Ast!« rief Nayala erneut. Aus dem Sandloch sickerte ein knurrendes Grollen. Einige der Fadengebilde krochen nun auch auf Nayala zu. Sie wich ihnen rasch aus. Furcht ließ sie trotz der Hitze schaudern, und tief in ihrem Innern entstand eine Wärme, die sie nicht schwitzen ließ.
Du mußt lieben, Nayala …
Der Fremde hielt sich an dem Holz fest, und Nayala zog. Die Fäden, die sich bereits um den zarten Leib gewickelt hatten, spannten sich. Einige rissen. Andere krochen aus dem Loch hervor.
Ein Schatten fiel über Nayala, und sie sah erschrocken auf.
»Ich werde dir helfen«, sagte der Fleischberg, den sie vor dem Oasenhaus erblickt hatte. Der Körper war aufgebläht, wie ein Ballon, die Arme zwei starre, wulstartige Fortsätze, die Beine Säulen. Ein großes, purpurnes Auge beanspruchte die Hälfte seines Gesichts.
Das Zartgeschöpf schrie.
Der Fleischberg sprang mit einem Satz an die Seite des Fremden, packte ihn, streifte mühelos einige hervorschnellende Fäden zur Seite und war einen Sekundenbruchteil später wieder an der Seite Nayalas. Das purpurne Auge glühte sie stumm an, dann wandte er sich um und eilte mit langen Sätzen seinem Haus auf der anderen Seite der Wasserfläche zu.
»Warte!« rief Nayala, sprang auf und folgte ihm.
Im Innern des Hauses herrschte angenehmes Zwielicht, und Nayala genoß die ihr entgegensickernde Kühle. Der wortkarge Riese war damit beschäftigt, den Leib des Zartgeschöpfes von letzten Fadenresten zu befreien. Es gab ein leises Stöhnen von sich.
Nayala beugte sich über das schmale Gesicht und strich mit den Fingerkuppen zärtlich über den Wangenflaum.
»Du wirst leben«, flüsterte sie. »Du mußt leben.«
Eine emotionale Eruption stieg in ihr empor, und ihre Hände zitterten.
Das Amulett am Hals des Fremden glühte. Als sich Nayala darauf konzentrierte, vermochte sie einzutauchen in die Gedankenwelt des zarten Wesens. Sie betrachtete die dahinschwebenden Bilder, lauschte dem Klang eines Namens und schwamm inmitten der Stimmen, die so sehr denen ähnelten, die auch in David terGordens Ich sprachen.
»Ja«, seufzte Nayala. Sie hatte das Gefühl, am Ende eines langen Weges angelangt zu sein, ein Ziel gefunden zu haben, das sie immer gesucht hatte. »Ja, du wirst leben, Tirion. Und ich bleibe bei dir.«
Der dürre Mann stöhnte leise. Narda kroch an seine Seite. Es war so dunkel, daß sie kaum die Hand vor Augen erkennen konnte.
»Benry?« fragte eine leise, zitternde Stimme.
»Nein«, flüsterte Narda. Sie fand eine der Fackeln und rieb sie über den Zündstein. Flammen züngelten und machten die bleichen Gesichter der Toten zu bizarren Masken des Schreckens.
Der dürre Mann versuchte, sich zu erheben.
»Ganz ruhig«, sagte Narda. Sie half ihm in die Höhe, und die Augen des Rantranen musterten sie verwirrt. »Du hast Glück gehabt. Der Vielgestalter hätte dich genausogut umbringen können.«
»Ich verstehe nicht …«
An der gegenüberliegenden Wand des Raums erwachte David aus der mentalen Starre.
»Arvid?« rief draußen eine kehlige Stimme, untermalt von wieder aufheulendem Wind.
Der dürre Mann wandte den Kopf.
»Arvid, wo, zum Teufel, steckst du? Was ist eigentlich los?« Kurze Pause, dann: »He, seht euch den an. Bleib stehen, Mann? Gehörst du zu Benrys Brut?«
Das letzte Wort ging in einen Schrei über, dann war wieder Stille.
»Narda?«
»Ich bin hier, David.«
»Wo ist er?«
»Draußen. Er sagte, er wolle sich orientieren.« Die Fackel knisterte. »Geht es dir gut, David?«
»Ich fühle mich wie zerschlagen.«
Sie wandte sich wieder dem Dürren zu. Er hatte ihre Hand abgestreift und lehnte keuchend an der Wand. Er schien unverletzt zu sein.
»Wer … wer seid ihr?«
Narda zwang ein Lächeln auf ihre Lippen. »Es würde zu lange dauern, dir das erklären, Arvid. Du bist doch Arvid, nicht wahr?«
Der Rantrane nickte.
»Dieser … andere … mit den gelben Augen.« Er sah sich ängstlich um und erblickte die Toten. Seine Augen wurden noch größer. »Ihr … ihr habt sie alle umgebracht?«
»Wir waren es nicht. Ein ungesteuerter Transfer,
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