Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Terranauten TB 06 - Monument der Titanen

Die Terranauten TB 06 - Monument der Titanen

Titel: Die Terranauten TB 06 - Monument der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weiler
Vom Netzwerk:
der hier befindlichen Gabensteine. Das wäre den Meherin sicher nicht entgangen. Sie waren wachsam. Immer.
    »Wo bist du, Carat? Hörst du mich?«
    Keine Antwort.
    Die Wagen rumpelten vorbei und verschwanden polternd zwischen den Hütten.
    »Kommt!« rief eine nahe Stimme. »Kommt zu mir, ihr Siechenden und Leidenden. Ich heile eure Wunden und Gebrechen. Kommt zu mir, zu Treschen …«
    Es war ein Desinfektor, und er hockte neben einer Kräuterschale am Boden. Die Vorübergehenden schenkten ihm keine Beachtung. Ihrima trat an seine Seite und sah sich um. Keine Meherin in der Nähe. Gut.
    Der Desinfektor sah auf. Seine Pupillen waren blutunterlaufen, der Körper deform. Ein Bastard, stellte Ihrima fest. Einer der Unwürdigen und Elenden, niedriger noch als die Rantranen. Die Dämpfe der Kräuter schenkten der Resignation in seinen Gedanken zeitweilige Betäubung. In der einen verkrüppelten Hand hielt er einen Stein, der durchzogen war von Mineralienadern und einigen Malachitflecken.
    »Welche Pein wohnt in dir?« fragte der Desinfektor mit lallender Stimme. »Ich kann sie heilen. Fremder.« Er blickte Ihrima in die kohleschwarzen Augen und schwieg.
    »Das Leid, das ich in mir trage, kannst du nicht lindern, Desinfektor«, sagte Ihrima leise. Erneut zapfte er ein wenig von dem allgegenwärtigen Raunen ab; unten sangen die Götzen, irgendwo in der Nähe schlugen die Schwingen eines Orgalla. »Aber vielleicht kannst du mir trotzdem helfen.« Er säte Vertrauen in die Hoffnungslosigkeit des Desinfektors. Der Stein, den er hatte an sich bringen können, war völlig wirkungslos und selbst von einem wirklichen Gabensprecher nicht zu benutzen.
    »Ich suche jemanden, eine alte Freundin.«
    »Wie heißt sie?«
    »Sie hat viele Namen. Einer davon lautet Carat. Sie ist alt und doch jung.«
    »Eine Sterblichkeitswartende?«
    »Ja.«
    Der Desinfektor überlegte. Ihrima schob sanft die betäubenden Nebel der Kräuterdämpfe zur Seite, und die Gedanken des Bastards klärten sich.
    »Ja … ich glaube, ich weiß, wen du meinst …«
    Ihrima hatte die entsprechenden Informationen bereits dem Hirn des Desinfektors entnommen. Irgendwo in der Ferne, am Rande seines begrenzten Wahrnehmungsfeldes, wuchs die Aufmerksamkeit eines Meherin.
    Ihrima wandte sich rasch um und eilte weiter. Hinter ihm verklang die enttäuschte Stimme des Desinfektors. »Bleib doch. Fremder, so bleib doch. Ich kann deine Leiden heilen …«
    Eine Treppe führte in die Tiefe, von einer Terrasse zur anderen. Erdhügel erhoben sich, wo vor langer Zeit nach Malachiten geschürft worden war. In manchen Mulden schliefen Obdachlose, Gelegenheitsarbeiter, die von weit her gekommen waren, ehemalige Bauern vielleicht, deren Ernten nun verdorrten, weil kein Gabensprecher mehr da war, der die Saat segnete und vor Parasitenbefall schützte. Ihrima eilte durch dunkle Gassen, in denen nur wenige Fackeln glühten. Vor einer schmalen Tür aus verwittertem Holz blieb er schließlich stehen. Ein mattes Erkenntnissymbol zierte die Bohlen. Er nickte. Ja, hier war er richtig. Er hob den eisernen Ring, und die Tür öffnete sich mit einem verhaltenen Knirschen.
    Ihrima trat rasch ein. In der Mitte des Zimmers stand eine gußeiserne Schale, in der gelbes Öl brannte. Die Flammen leckten knisternd der niedrigen Decke entgegen, und der Ruß hatte die Balken dort mit einer schwarzen Schicht überzogen.
    »Carat?«
    Rubinperlen an den Wänden formten Ewigkeitszeichen, und die kleinen Jadefiguren in den Regalen waren Abbildungen regionaler Gottheiten: Jungfräulichkeitsdamen, Staubdämonen, und, vor einer nachgebildeten Schwinge aus alten Orgallafedern, das Unsterblichkeitsstandbild.
    »Carat?«
    Auf einem kleinen Tisch an der einen Wand standen zwei tönerne Teller mit dampfendem Nährbrei. Der Duft der Mahlzeit schien das Messer des Hungers in Ihrima weiter zu schärfen.
    »Greif nur zu«, ertönte eine melodische Stimme aus dem Hintergrund des Raums, als Ihrima an den Tisch herangetreten war. »Ich wußte, daß du kommst.«
    Er drehte sich um. Eine Tunika raschelte, und dann schob sich Carat in den Lichtschein des Ölfeuers. Sie war eine hochgewachsene Frau, und ihr anmutiges und schmales Gesicht wurde umrahmt von bläulich schimmerndem Haar, das wie feine Seide wirkte. Ihrima musterte sie. Carat hatte sich verändert, seit er ihr das letztemal begegnet war, vor langer Zeit, als in ihm noch das Feuer der Jugend gebrannt hatte. Einst mochte sie als Rantranin geboren sein, aber sie hatte

Weitere Kostenlose Bücher