Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur
der Diirn lief in drei Phasen ab.
In der ersten Phase waren sie männliche Wesen mit beschränktem Intellekt, schwarzhäutige Kreaturen, die in stammesähnlichen Gesellschaften zusammenlebten und in gewaltigen Heerzügen ständig umherwanderten. Stumpfsinnige Monstren, die alles niedertrampelten, sich von dem ernährten, was sie auf ihrem Weg fanden, breite Schneisen der Ödnis und Verwüstung auf Ardas Welt hinterließen.
Jene Schneisen, die wir von der fliegenden Insel aus beobachtet hatten.
Trafen diese Prä-Diirn auf andere Stämme, entbrannten sogleich erbitterte Kämpfe. Schlachten, die zahllose Opfer forderten. Es ging bei diesen Kämpfen nicht um Territorialfragen, um Vormachtpositionen oder um ideologische Streitigkeiten. Diese Kriege hatten mit den Kriegen, die die Menschen untereinander führten, nichts gemein. Zwei Heerwürmer prallten zusammen, schlugen in sinnloser Raserei aufeinander ein, während jeder Stamm unbeirrt weiter seinen Weg verfolgte, und sobald sie sich wieder trennten, hörten die Feindseligkeiten auf. Bis es in den Sumpfgebieten oder den teergetränkten Wüsteneien zu einem erneuten Zusammenprall kam.
Die Kriege der Prä-Diirn waren ein grausiges Mittel der Evolution, um die Schwachen von den Starken zu trennen. Die Schwachen schlugen mit Klauen, Fäusten und Keulen aufeinander ein und führten Kriege, bis sie erschlagen wurden oder zu alt waren und man sie zum Sterben am Wegesrand zurückließ. Die Starken erahnten die Sinnlosigkeit der Kriege, und ihre ungewisse Ahnung trieb sie dazu, die Kämpfe zu meiden und sich schließlich von den Heerwürmern zurückzuziehen und herumzuirren, bis der Tod sie holte oder sie in den Sümpfen die Faulgase einatmeten.
Die Gase lösten die zweite Phase der Evolution aus.
Aus den männlichen Prä-Diirn wurden unter dem Einfluß komplizierter hormoneller Prozesse weibliche Semi-Diirn. Ihre Lebensdauer war nur begrenzt. Nach wenigen Wochen suchten sie jene Stellen in den Sümpfen auf, wo die Wasserstoff speichernden Pflanzen wuchsen, knüpften aus ihnen floßähnliche Gebilde und ließen sich auf den fliegenden Inseln über die Schlachtfelder treiben. Durch den erhöhten Sauerstoffgehalt auf den Inseln, der dadurch entstand, daß die Pflanzen das Regenwasser aufspalteten, den Wasserstoff speicherten und den Sauerstoff als Abfallprodukt ausschieden, setzte sich die Metamorphose der weiblichen Semi-Diirn fort.
Aus ihnen wurden Post-Diirn – hybrid, intelligent, dem Leben im Weltraum angepaßt. Die Post-Diirn verbrachten nach dem Schlüpfen mehrere Tage in den oberen Atmosphäreschichten von Ardas Welt, wo ihr Metabolismus das Sonnenlicht in Energie umsetzte und speicherte, bis sie kräftig genug waren, das planetare Schwerefeld zu verlassen. Dann stießen sie endgültig in das All vor und schlossen den Lebenszyklus: Als Hybride besaßen sie männliche und weibliche Chromosomen und konnten sich selbst befruchten.
Jede Post-Diirn zeugte Nachkommen in großer Zahl und stieß die Nachkommenschaft im Orbit um Ardas Welt in Form einer vernetzten Wolke eiförmiger Gebilde aus. Angezogen von der Schwerkraft ging die Eiwolke nieder, aus den Eiern schlüpften männliche Prä-Diirn, bildeten einen jener Herzüge, und der Zyklus begann von neuem.
Vielleicht hatten die Post-Diirn die männlichen und weiblichen Grauen für die ersten Glieder einer ähnlichen Evolutionskette gehalten.
Vielleicht hatten sie den Grauen helfen wollen, ihren Lebenszyklus abzuschließen, und hatten ihnen deshalb so bereitwillig Ardas Welt als Basis zur Verfügung gestellt. Dove glaubte es, aber ich war mir nicht so sicher. Und ich bezweifelte, ob die Sumpfgase allein für die entsetzliche Veränderung bei den Grauen verantwortlich waren. Auch die angebliche Ähnlichkeit zwischen den Sexualhormonen der männlichen Diirn und der männlichen Menschen stieß bei mir auf Unglauben. Die Unterschiede zwischen den beiden Spezien waren einfach zu groß; möglich, daß die Grauen in ihrer Not Zuflucht bei der einfachsten Erklärung gesucht hatten. Ich tippte vielmehr auf Mikroorganismen – Viren, was auch die Reaktion des Mutagens erklären konnte.
Wie dem auch sei, wenige Monate nach Errichtung der Basis auf Ardas Welt traten die ersten Unglücksfälle auf. Nach und nach starben mehrere männliche Graue an explosivem Krebswachstum – wie jener Centurio Zarr, den der Tod auf Coldgrave ereilte. Aber ehe die Grauen das Rätsel lösen konnten, wuchsen die Todesfälle zu einer Epidemie an.
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