Die Terranauten TB 09 - Das Schiff der Träume
Problem war von untergeordneter Bedeutung.
Die Loge hatte die Chance, ihren Standpunkt klarzumachen, die Gemeinschaft der Kangrahs mit ihrem Bild der Wahrheit zu konfrontieren.
Die erste Stufe im Plan, den Keim des Zweifels zu säen. Selbst wenn die Kangrahs die Version der Terranauten rundweg ablehnten, bestand doch die Hoffnung, daß sie an ihrer eigenen Version von der Wirklichkeit zu zweifeln begannen.
Und als nächster Schritt mußte die Kontaktsuche mit Llewellyn erfolgen. Sie hatten sich endgültig auf den Riemenmann geeinigt.
Der Bezug zur Realität mußte im entscheidenden Moment hergestellt werden – dann, wenn die Zweifel nach Beweisen gierten. Egal, wie diese Beweise auch beschaffen waren. Selbst wenn sie das alte Weltbild, das die PSI-Illusion bestimmte, zerstörte.
Die große Hoffnung der Terranauten!
»Die Grundthese: Der Mensch, wie jedes denkende Wesen überhaupt, ist Produkt von drei Hauptkomponenten, die sein Denken und Handeln bestimmen:
1. die angeborenen Überlebens- und Grund verhaltensinstinkte.
2. der Lernprozeß zur Anpassung, worunter nicht nur Sprache, Kultur, Gesellschaftsform und dergleichen gehören, sondern auch Charakterbildung, mit der Tendenz: Erfolg oder Mißerfolg gleich Erfahrung, gleich Korrektur von Meinung und Wesen.
3. seine eigene Phantasie, die sich emsig bemüht, fehlendes Wissen durch passende Vorstellungen zu ersetzen. Darunter gehört auch Religion und Aberglauben und die Erzeugung einer letztlich illusionären Erlebniswelt, um allem begegnen zu können, vor allem den ständigen Frustrationen bei Mißerfolg.
So kommt es, daß jeder Mensch sich selbst als gut empfindet und immer nur andere als böse, minderwertig, rücksichtslos und falsch. Der eigene Standpunkt wird zum Weltdogma. Jeder glaubt, ein endgültiges Bild der Realität zu besitzen. Der Fanatiker verteidigt es bis aufs Messer und fühlt sich bei jedem Mord im Recht. Der Idealist opfert sich selbst.
Und dann gibt es noch die sogenannten Realisten. Sie nennen sich nicht so, weil sie den Stein der Weisen gefunden haben oder zumindest glauben, das richtige Ende des Fadens in Händen zu halten. Sie sind Realisten, weil sie sich alle Mühe geben, etwas ungeheuer Wichtiges zu akzeptieren: Daß die Realität völlig unabhängig von ihnen ist! Daß sie selbständig handelt! Daß man die Realität nicht den eigenen Vorstellungen und Wünschen anpassen kann, sondern umgekehrt: Auf der Suche nach der Wahrheit muß man offen bleiben – nach allen Richtungen, auch in die unbequemen, vielleicht sogar erschreckenden. Das Heil liegt nicht in der Flucht in die Illusionen, sondern in der erregenden Suche …«
»Die Grundthese der Hauptkomponenten, die den Menschen zu dem machen, was er ist. Aber ihr seid keine Realisten, auch wenn ihr euch bemüht. Wo ist der objektive Standpunkt, wenn es ihn überhaupt nicht geben kann? Die Realität selbst sorgt für ihre Verschleierung. Unsere Wahrheit bleibt auf Annahmen begründet. Doch ihr sprecht nur vom Menschen – und von denkenden Wesen, die ihr zu kennen glaubt. Die Kangrahs – das ist eine alte Rasse. Ihre Einschätzung der Wirklichkeit hat sich bewährt.«
»Glaubt ihr?«
»Wenn Wissen beweisbarer Glaube ist, dann glauben wir nicht, sondern wissen. Das Weltbild eines Kangrahs wird nicht von den gleichen Hauptkomponenten bestimmt wie bei den Menschen. Bei uns sieht es so aus: zu 1.: angeborene Mechanismen zur Selbst- und Arterhaltung werden willkürlich gesteuert. Damit ist der Faktor Natur ausgeschaltet. Ich will es präzisieren, Menschen: Wir sehen in einer sogenannten natürlichen Ökologie nichts anderes als grausame Abläufe von sterben oder überleben. Wohin haben euch die sogenannten natürlichen Instinkte gebracht? Müssen wir wirklich noch die anderen Hauptkomponenten berühren? Ist es nicht so, daß der Mensch Punkt 2 und 3 dem Punkt eins unterwirft? Weil er in seiner Entwicklung noch nicht weit genug von seinen tierischen Vorfahren entfernt ist? Die Kangrahs haben sich abgenabelt. Sie wenden sich gegen die sogenannte Natur, erkennen die Grundzusammenhänge, die physikalischen und biologischen Möglichkeiten – und schöpfen sie aus. So tritt der Verstand anstelle instinktiver Automatiken. So tritt die gerechte Abwägung nach positiven Bedürfnissen anstelle des ökologischen Zwangs von fressen oder gefressen werden. Noch etwas zu diesem Punkt, weil es so schön paßt: Es gibt keine unheilvolle Technik, keine unnatürlichen Energien, die gefährlich
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