Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern
einen Winterkindes.
Der Anführer reagierte so schnell, daß Myriam den einzelnen Bewegungen nicht zu folgen vermochte. Das Schwert wirbelte wie der Leib einer Viper durch die Luft und zerschmetterte den Schädel des Kreischers.
Blut tropfte über das Holz des Bodens.
Kargen ging langsam in die Knie, und Myriam konnte deutlich sehen, wie sich das Gesicht des Fallenstellers verzerrte und in seinen Augen Tränen zu schimmern begannen.
»Wenn der lange Winter kommt«, sagte der Anführer ruhig, »dann müssen alle Sommerkinder nach Süden ziehen. Sobald der erste Schnee gefallen ist, gehört alles, was sie besaßen, uns. Das war immer so. Und das wird auch immer so sein. Es sind die ungeschriebenen Gesetze Schwärzkinds. Steh auf. Sommerkind.«
Kargen erhob sich langsam wieder. Er zitterte jetzt nicht mehr, aber er ballte die Fäuste, und in seinen Pupillen entstand ein irres Funkeln.
»Der erste Schnee ist gefallen. Und damit hast du alle Rechte verloren, Fallensteller. Sei froh, daß wir dich ziehen lassen. Wir könnten dich ebensogut töten.«
Draußen heulten keine Nachtwölfe mehr. Und selbst das Fauchen des Sturms war plötzlich verstummt.
Die beiden anderen bepelzten Männer taumelten näher und schlugen die Kapuzen zurück. Das haarige Gesicht des einen Winterkindes war eine Fratze. Geschwüre und Pusteln wuchsen auf den Wangen und sonderten eine eitrige Flüssigkeit ab. Verkrüppelte Finger kratzten darüber hinweg.
Kargen gab einen schrillen Schrei von sich und wich mit einem langen Satz zurück. »Die Krankheit … Er hat die Krankheit.«
Der Anführer lachte schallend und ließ für einige Augenblicke sein Schwert sinken.
»Die Krankheit? Nein.« Er schüttelte den Kopf, und seine grauschwarze Haarmähne wogte. »Er hat den Angriff eines Schneewolfs überstanden. Es geschah vor ein paar Tagen. Die Wunden haben sich entzündet, das ist alles.«
Kargens Entsetzen legte sich allmählich wieder. »Morgen früh«, wiederholte er mit vibrierender Stimme. »Jaja, morgen früh breche ich auf und ziehe mit den Fellen nach Süden. Dann gibt es hier keine Sommerkinder mehr, die eure weiße Ruhe stören könnten.«
Mit einigen raschen Schritten war der Anführer direkt vor ihm. »Hast du nicht verstanden, alter Mann? Du geht jetzt sofort. Und du nimmst nur das mit, was du am Leibe trägst. Alles andere bleibt hier.«
Knisternde Spannung breitete sich in dem Zimmer aus. Der unstete Schein der Talgfackeln ließ bizarre Schatten und Schemen über die Wände tanzen. Jenseits der dunklen Fenster brüllte ein Nachtwolf. Der Schrei ertönte in unmittelbarer Nähe und ging sofort in ein heiseres Röcheln über. Anschließend herrschte wieder Stille.
Der Anführer drehte sich um, runzelte die Stirn und warf den beiden anderen Winterkindern einen verwirrten Blick zu. »Ein Nachtwolf starb. Und nur eine Horde Schneeteufel …«
Weiter kam er nicht. Der Fallensteller stürzte sich auf ihn und warf ihn zu Boden. Einige Sekunden lang herrschte wildes und lautstarkes Durcheinander, und die beiden anderen Winterkinder feuerten ihren Anführer an. Kargen kämpfte mit dem Zorn der Verzweiflung, aber er hatte natürlich keine Chance. Sein Gegner wehrte ihn mühelos ab, packte ihn und schleuderte ihn in eine Ecke der Kammer. Der Fallensteller blieb stöhnend liegen.
Als das Winterkind nach seinem Schwert griff und auf Kargen zuschritt, erhob sich Myriam ruckartig.
»Nein«, platzte es aus ihr heraus. »Bitte … ihr dürft ihm nichts antun. Er ist verrückt. Die lange Einsamkeit … das entbehrungsreiche Leben …«
Der Anführer drehte sich langsam um, starrte sie an und trat auf sie zu. An der Klinge seines Schwertes klebte noch das Blut des toten Schneeteufels.
»Eine Frau«, flüsterte der Mann. »Eine Frau. Und du wagst es, in der Gegenwart von Winterkindern zu sprechen?« Er streckte die eine Hand aus und tastete über die Wangen Myriams. Sie stieß seinen Arm beiseite.
Das Winterkind gab ein zorniges Fauchen von sich und holte mit dem Schwert aus.
»Du wirst sie nicht töten«, sagte David kalt und stand auf. »Du wirst sie nicht einmal verletzen.« Er winkte, und das Schwert wurde dem bepelzten Mann wie von einer imaginären Faust aus der Hand gerissen. Die Klinge bohrte sich tief in eine Deckenbohle.
Und wieder reagierte der Anführer der drei Winterkinder mit einer Blitzartigkeit, die Myriam verblüffte. Er duckte sich, stieß sich ab und umfaßte den Griff seiner Waffe. Mit der anderen Hand holte er einen
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