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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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alle Gedanken an ekelhafte Verrichtungen, mit den Füßen in der Scheiße einer engen, stinkenden Brandgasse stehend oder im feucht geschwitzten Bett einer schwabbeligen, grunzenden alten Frau, und der Funke stob auf, der Funke des Lebens, der sich darin äußert, dass auch der Leib nach Vereinigung strebt, wenn sich zwei Seelen gefunden haben.
    Andrej und Jarmila taumelten eng umschlungen in ihre Schlafkammer und fielen in eine weiche, warme Gruft aus Federn und duftendem Leinen.
    Das Fieber der Berührung des anderen Körpers, nach dem man sich sehnt, erhöht durch die Tatsache, dass der Körper fast unspürbar ist unter dem Panzer der spanischen Mode … Der Geschmack der Lippen und Zunge des Partners und der Hauch seines Atems, den man mit ihm teilt … Das Gebausche und Geraschel einer Menge von Stoff und Seide, mit der man einen halben Straßenzug Hausmägde hätte einkleiden können … Der Versuch, unter der Deckung von Brokat und steif gefälteltem Leinen und hinter dem Gefängnis von Fischbein- und Eisenstäben eine Rundung zu spüren, den menschlichen Körper, der sich stöhnend darin windet … Zwei Hände, die anVerschnürungen, Knöpfen, Haken und Bändern zerren, unterstützt von zwei weiteren Händen, die gemeinsam die ganze Unternehmung unmöglich machen, die unter der gegenseitigen Berührung erschauern und sich umtanzen wie vier Falter im taumelnden Brautflug … sich ineinander verschränken und lösen und liebkosen und knisternde Funken miteinander zu tauschen scheinen … Gewisperte Worte, die nicht viel mehr sind als Stöhnen auf der einen und halbes Schluchzen auf der anderen Seite, untermalt vom Knarren und Protestieren des Skeletts des Reifrocks …
    »Hier, hier … nein, hier ziehen … küss mich, bitte, küss mich … nein, ich zeig’s dir, so musst du ziehen …«
    »Jarka, oh, Jarka, du bist so schön, du bist so … ich dachte … ah, du bist so schön …«
    »Küss mich!«
    Ein paar Knöpfe geben nach, eine Naht reißt …
    Die enge Verschnürung des Korsetts löste sich plötzlich. Jarmila holte Atem, die dreieckige Öffnung des Oberkleids, die sich vom Kragen bis zur Taille herunterzog, weitete sich. Jarmila riss sich den Kragen von den Schultern; weitere Knöpfe sprangen auf, eine Handvoll davon prasselte an die gegenüberliegende Wand. Mit fliegenden Fingern schnürte sie an den Bändern des Unterkleids, und Andrej, dessen Hände zitternd an ihrem Oberkörper auf und ab fuhren und in dessen Hirn ein Feuer brannte, das Stein geschmolzen hätte, sah plötzlich weiße Haut, den Beginn der Falte zwischen zwei erbarmungslos zusammengepressten Brüsten. Jarmila zerrte an Oberkleid und Unterkleid, und Andrej erhaschte einen Blick auf rote Pressstriemen in Jarmilas Fleisch, auf zwei Brüste, die förmlich aus dem aufgerissenen Gewand quollen, auf fast wundgescheuerte Brustwarzen. Dann drückte sie seinen Kopf an ihren Busen, und er drückte Küsse auf die geschundene Haut, schmeckte das Salz ihres Schweißes, leckte über einenweichen Bogen und dann über einen harten Knoten, nahm den Knoten zwischen die Zähne und hörte, wie sie den Atem einzog. Seine Hände fuhren in den Ausschnitt, den sie geschaffen hatten, spürten glühende Haut, schlossen sich um die Weichheit ihrer Büste und drückten, fühlten, kneteten, streichelten, entflammten …
    Niemand hatte ihm je gezeigt, was zu tun war, um einer Frau Lust zu bereiten. Niemand hatte ihm je gesagt, welche Möglichkeiten es gab, selbst Lust zu empfangen. Es hatte die dicke alte Witwe gegeben, die harte schnelle Stöße bevorzugte und der der Gedanke, dass sich ein halbes Kind voller Abscheu auf ihr abmühte, die eigentliche Lust gewesen war; es hatte viel später die Dirnen gegeben, die aus ganz anderen Gründen harte, schnelle Stöße bevorzugten und deren höchste Zärtlichkeit der klammernde Griff nach unten war, wenn die bezahlte Zeit sich dem Ende zuneigte, der Liebhaber sich aber noch nicht verausgabt hatte. Außer der halben Vergewaltigung in der Brandgasse hatte es nie mehr einen Mann gegeben, auch keinen, der sich seiner in freundlicher Weise angenommen hätte. Andrej war ein Blinder, Tauber und Lahmer, der in eine neue Welt vordrang, von der er nicht einmal eine Beschreibung besaß, und was er tat, flüsterte ihm entweder ein gütiger Gott der Liebe ein oder erriet er aus den Bewegungen Jarmilas. Das Misstrauen, das zu seinem Wesen geworden war, war verstummt: er ließ sich in Jarmila fallen. Die Vorsicht,

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