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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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körperlicher Kraft genommen hatte, war ihm durch seine Entdeckung an seelischer Kraft gegeben worden.
    Der Mann holte tief Atem. Er drehte seinen Kopf hin und her und betrachtete sein Abbild von allen Seiten. Seine Wahl hatte vor zwölf Tagen stattgefunden, doch heute würde der erste Tag sein, an dem er sein neues Amt wahrnahm. Und er würde die Geschichte verändern.
    Im Fieberbrand war der Mann vergangen, der er gewesen war: Kardinal Giovanni Battista Castagna, Erzbischof von Rossano, Apostolischer Nuntius in Venedig, päpstlicher Legat in Köln, Konsultor des Heiligen Offiziums, Großinquisitor. Heute Morgen fühlte er sich geradezu glücklich, in dieses Gesicht, das ihm plötzlich fremd war, hineinzusehen und zu sagen: »Du hast deine Schuldigkeit getan. Ich danke dir.«
    Es gab eine Weisheit, der zufolge man Entscheidungen, die man in einem neuen Amt zu treffen hatte, erst nach den ersten hundert Tagen treffen sollte, weil vorher das Wort des Herrnauf einen zutraf: Sie wissen nicht, was sie tun. In all seinen früheren Ämtern hatte er sich stets daran gehalten. Heute spürte er zum ersten Mal, dass er nicht warten durfte. Die Gnade des Herrn und seine eigene Zielstrebigkeit hatten sich verbündet und präsentierten ihm die Waffe, mit der er Bösartigkeit, Dummheit und Aberglaube ein für alle Mal besiegen konnte – mit der er den Teufel, Gottes Widersacher, in seinen eigenen Fallstricken fangen konnte. Früher hatte er manchmal gezögert, weil er vor seiner eigenen Entscheidung Angst hatte. Doch heute Morgen hatte es nichts als die Gewissheit gegeben, dass er auserwählt war.
    Er fühlte, wie eine Ehrfurcht ihn ergriff, die ihn atemlos machte und sein Herz zum Pochen brachte. Plötzlich schien es, als wäre es unmöglich, die siebzig zurückliegenden Jahre loszulassen. Aber es war nötig. Giovanni Battista Castagna würde heute endgültig dahingehen; ein neuer Mann würde geboren werden.
    »Willst du das wirklich tun?«, fragte er das Spiegelbild.
    »Wie lange hast du darauf gewartet?«
    »Wie stark hast du es gehofft?«
    »Bist du sicher, dass es dich nicht verschlingen wird?«
    Das Spiegelbild antwortete auf keine der Fragen.
    Er setzte die rote Mütze mit dem weißen Pelzrand auf. Die Septemberhitze lag so schwer auf Rom, dass sie sogar hinter die dicken Mauern gedrungen war, die ihn umgaben, aber der camauro gab ihm Sicherheit.
    »Dann steh Gott Ihnen bei, Eure Heiligkeit«, flüsterte er dem Spiegelbild zu.
    Papst Urban VII. drehte sich um und schritt hinaus, um mit dem Teufel in Verbindung zu treten.
    Kardinalarchivar Arnaldo Uccello verneigte sich und versuchte, sich vor den Zugang zum Sixtinischen Saal in der Vatikanischen Bibliothek zu stellen. Papst Urban blieb stehenund erwiderte den Gruß. Er beobachtete, wie die Blicke des Kardinalarchivars zu den beiden Schweizergardisten in seiner Begleitung irrten und an den Stemmeisen hängen blieben, die die beiden jungen Männer in den Händen trugen.
    »Ich danke Gott, Sie wieder gesund zu sehen, Heiliger Vater. Leider hat mir niemand Ihr Kommen angekündigt«, sagte Uccello leise. »Bitte entschuldigen Sie das Versäumnis.«
    »Es liegt kein Versäumnis vor«, sagte Urban. Er sah sich im Vorraum der Bibliothek um. Es war schwer, das Klopfen seines Herzens zu beruhigen. Er dachte, selbst der Kardinalarchivar müsse es hören können. »Wir sind lange nicht mehr hier gewesen.«
    »Es ist eine Ehre, dass der Heilige Vater zu so früher Stunde –?«
    »Diese jungen Männer«, sagte der Papst. »Sind das Studenten?«
    Uccello nickte verwirrt. »Sie haben Sonderbefugnisse, gewisse Dokumente einzusehen, um ihre Studien zu betreiben oder ein bestimmtes Thema zu beleuchten, und …«
    »Wenn Sie so freundlich sein wollen, sie hinauszuschicken«, sagte Papst Urban.
    Uccello blinzelte ratlos. »Hinausschicken, Heiliger …?«
    »Ja. Wir möchten, dass niemand hier zurückbleibt.« Der Papst lächelte den jungen Männern zu, von denen sich die meisten an ihren Pulten umgedreht hatten und ihn verstohlen musterten. Die Unterhaltung zwischen dem Papst und dem Kardinalarchivar war so leise, dass keiner von den Studenten auch nur ein Wort verstanden haben konnte. Einer der Männer lächelte zaghaft zurück. Papst Urbans Lächeln verbreiterte sich, und er nickte. Der junge Mann errötete vor Stolz und bekreuzigte sich inbrünstig. »Sagen Sie es Ihnen. Jetzt.«
    Urban sah zu, wie der Kardinalarchivar zu seinem Pult zurückkehrte, sich daran festhielt, um seine

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