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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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gewusst hätte, wo er lag, hätte ihn übersehen. Nur ein nachlässiges Bündel aus grobem Stoff, dachte Pavel, und doch hatte dieses Bündel soeben Pavels Welt in Stücke zerschlagen.
    17
    Yolanta setzte sich vor das Feuer. Es war wohl mehr aus Gewohnheit als wegen der Kälte, denn sie streckte ihre Hände und Füße nicht der Wärme entgegen. Sie hätte eine lebensgroße Puppe sein können, die jemand dort platziert hatte. Pater Xavier betrachtete sie ungeniert. Seine Einschätzung war richtig gewesen: mit ein wenig Pflege und gutem Essen war in kürzester Zeit eine Schönheit aus dem hageren Geschöpf geworden.
    Pater Xavier hatte einen Krug Wein bereitstellen lassen und zwei Becher, die er bereits eingeschenkt hatte. Er plante nicht, auch nur einen Schluck davon zu nehmen, aber die Menschen tranken leichter, wenn sie dachten, dabei Gesellschaft zu haben. Der Wein für Yolanta war keine freundliche Geste, sondern ein Mittel, ihr Misstrauen zu lähmen; Pater Xavier sah mit einer Mischung aus Ärger und heimlicher Befriedigung, dass sie nicht darauf hereinfiel.
    »Wann bekomme ich mein Kind zurück?«, fragte sie.
    »Bist du jemandem aufgefallen?«
    Yolanta schwieg. Der Dominikaner wartete geduldig.
    »Wem hätte ich schon auffallen sollen?«, fragte sie schließlich voller Bitterkeit. »Cyprian Khlesl und seiner Reisegesellschaft? Einem der Aussätzigen, weil ich in seinem alten Heuschober im Dreck lag und mir fast den Tod holte?«
    »In Chrast? In Chrudim?«
    »Nein. Die Leute dort glauben, sie hätten das Gelände abgeriegelt, aber es gibt so viele Schlupflöcher, dass die Aussätzigen zu Dutzenden aus ihrem Gefängnis entkommen könnten, wenn sie nur wollten. Cyprian und Andrej hatten keinerlei Mühen, ungesehen hinein- und wieder herauszukommen, ebenso wenig wie ich.«
    »Erstaunlich«, sagte Pater Xavier. Yolanta verstand die Anspielung.
    »Hoffnung«, sagte sie. »Selbst in meiner Zelle im Kloster hatte ich Hoffnung, und die Mutter Oberin sprach von nichts anderem. Ein Aussätziger hat keine Hoffnung. Worauf auch? Höchstens auf den Tod – und den findet er unter seinesgleichen genauso gut wie anderswo.«
    Pater Xavier dachte nach. Es schien sicher, dass Podlaschitz das Kloster war, von dem die bruchstückhafte Überlieferung der Teufelsbibel sprach: das Kloster, in dem ein Mönch eingemauert worden war, um sich vom Satan persönlich sein Vermächtnis diktieren zu lassen. Das Kloster existierte nicht mehr. Hatte ein Fußtritt des Teufels es ausgelöscht? Als die Römer Karthago dem Erdboden gleichgemacht hatten, schütteten sie Salz in den aufgerissenen Erdboden, um ihn für alle Zeiten zu zerstören. Es mochte gut sein, dass Aussatz und Fäulnis des Teufels Äquivalent für das Salz waren. Die Teufelsbibel war dort gewesen, darüber war Pater Xavier sich sicher. Dass sie nicht mehr dort war, stand nun ebenfalls fest. Die Reise war zugleich vergeblich und höchst aufschlussreich gewesen.
    »Du hast deine Sache gut gemacht«, hörte er sich sagen und war selbst erstaunt darüber.
    »Wann bekomme ich mein Kind?«
    »Häufiges Fragen macht die Sache nicht besser.«
    Sie warf ihm einen brennenden Blick zu. Anfangs hatten stets Tränen in ihren Augen gestanden. Mittlerweile hatten sie dem nackten Hass Platz gemacht. Sie gab sich keine Mühe, ihn zu verbergen. Für ein paar Momente gestattete Pater Xavier sich einen Traum: er würde Yolanta mit zurück nach Spanien nehmen – seine eigene junge, schöne Agentin, mit der er Bischöfe, Kardinäle und Minister des Königs aushorchen, sich gefügig machen, sie zurechtformen würde. Doch das Druckmittel, das er gegen Yolanta in der Hand hatte, wurde von Tag zu Tag schwächer, und in Spanien wäre es wirkungslos. Sie würde niemals zustimmen, Prag ohne ihr Kind zu verlassen. Er konnte natürlich irgendein Kind aus dem Waisenhaus holen und es ihr als ihr eigenes unterschieben; er war sicher, dass sie keine Chance hatte, den Unterschied zu bemerken, und selbst wenn, würde die Mutterliebe alles Misstrauen unterdrücken. Doch womit sollte er sie erpressen, für ihn zu arbeiten, wenn sie das Kind erst hatte? Es gab selbstverständlich die Möglichkeit, es ihr in Spanien wieder wegzunehmen. Für eine Weile ließ der Dominikaner seinen Gedanken freien Lauf. Es wäre ohne weiteres möglich – das Kind ein puer oblatus in einem Dominikanerkloster in Kastilien, einzelne Besuchstage als Belohnung für erwiesene Dienste und als große, antreibende Hoffnung die Aussicht, es

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