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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Geschichtenerzähler. Gute Reise gehabt?«
    »Ich habe mich ordnungsgemäß abgemeldet und die Erlaubnis von Seiner Majestät …«
    »Ja, ja. Die Erlaubnis von Seiner Majestät zu irgendwas ist so viel wert wie ein Fliegenschiss, weil er beim Nachtischschon nicht mehr weiß, was er zum Hauptgang gegessen hat. Sollten Sie doch am besten wissen, so oft wie Sie bei ihm sind.«
    Am Hof jedes Herrschers ist Neid die einzige Form der Anerkennung, dachte Andrej müde. Aber er war dennoch besorgt.
    »Hat Seine Majestät nach mir verlangt?«
    »Hoffentlich.«
    »Ich werde sofort zu Oberstlandrichter Lobkowicz gehen.«
    »Umso besser.« Der Abgesandte stand auf und wischte sich demonstrativ die Hände an der Hose ab. »Deshalb bin ich nämlich hier. Ich habe den halben Tag auf Sie gewartet. Sie sind heute zwischen der Terz und der Sext in die Stadt zurückgekehrt. Jetzt ist es nach der Non. Wo waren Sie die ganze Zeit? Den Reisestaub weggerammelt?«
    »Was geht Sie das an?«, erwiderte Andrej im Hinausgehen.
    »Nur nicht so verlegen, Geschichtenerzähler. Erzählen Sie mir doch auch mal eine Geschichte. Man hört ja so allerhand über Sie in der letzten Zeit. War ja wohl ’ne parfümierte Fut, in die Sie ihn gesteckt haben, Sie Tröster abgebrannter Adelsfräulein. Keine falsche Scham.«
    Andrej ballte die Fäuste und versuchte seinen Weggefährten mit langen Schritten abzuhängen. Der Mann begann zu keuchen; er war schlank und breitschultrig, aber die korrekte spanische Mode machte jede schnelle Bewegung zu einem Gewaltakt.
    »Erzählen Sie Seiner Majestät doch mal davon!«, zischte er. »Vielleicht bekommt er dann Appetit auf seine Verlobte und heiratet sie endlich, damit das Reich nicht noch mehr vor die Hunde geht. Wie wär’s damit, Geschichtenerzähler?«
    Schließlich blieb der Bursche hinter ihm zurück. Andrej stürmte allein zum Oberstlandrichter, voller Wut und Angst. Natürlich hatte der Abgesandte Recht. Kaiser Rudolf hatte ihm den Urlaub gewährt, doch was, wenn es dem Kaiserschon am nächsten Tag wieder anders eingefallen war und er seinen fabulator bei sich haben wollte? Sollte man sagen: ›Majestät haben wohl vergessen, dass Majestät dem Mann freigegeben haben?‹ Es gab Dinge, die sagte man nicht zu Majestäten, und abgesehen davon hätte sich für Andrej niemand am Hof ins Zeug gelegt.
    Er stürmte durch das Antichambre des Oberstlandrichters wie ein Landsknecht, riss die Tür zu seiner Studierstube auf und empfand eine perverse Genugtuung dabei, den alten Mann mit einem Finger tief in seiner Nase zu ertappen.
    »Euer Ehren wollten mich sehen?«
    Lobkowicz, der zusammenzuckte und den Finger aus der Nase riss, wobei er sich das Narrenbein an der Kante des Schreibpults anstieß und einen Schwung Blätter auf den Boden verteilte, funkelte ihn böse an. Er rieb sich die schmerzende Stelle am Ellbogen, und Andrej versuchte, den Schatz, den Lobkowicz aus seiner Nase zutage gefördert hatte und der nun, von ihm unbemerkt, an der Spitze seines Zeigefingers hing, nicht anzusehen.
    »Sie waren nicht da«, sagte Lobkowicz. »Wissen Sie, was Seine Majestät getan hat, als Sie nicht da waren?«
    Furcht stieg in Andrej auf. Lobkowicz sah ihn schweigend an. Die Blätter auf dem Boden wirkten wie eine Anklage; selbst der Nasenpopel war auf eine nicht näher bestimmbare Weise feindselig.
    »Gar nichts«, sagte Lobkowicz schließlich. »Er hat Ihnen Urlaub gegeben, und er hat sich die ganze Zeit daran erinnert. Er hat gesagt, wenn Sie sich nach Ihrer Rückkehr genügend ausgeschlafen hätten, sollten Sie sich zurückmelden.« Langsam sickerte in Andrejs Hirn, dass Lobkowicz ihn nur schikaniert hatte.
    »Herzlich willkommen«, sagte Lobkowicz. »Ich wollte, dass Sie sich keine Sorgen wegen Seiner Majestät machen. Hähähä.«
    So war Andrej heimgekehrt, aus dem Land der lebenden Toten in das Land der toten Herzen. Und als er sich von der niedrigen Rache des Oberstlandrichters erholt hatte und allein in seiner Hütte saß, wurde ihm bewusst, dass ihm das Schlimmste an dieser Heimkehr noch bevorstand.
    Jarkas griesgrämiger Hauskaplan hatte wie üblich versucht, sie lesend am Ende des langen Tisches auszusitzen, aber junge Liebende haben bei aller Ungeduld und Leidenschaft eine erstaunliche Ausdauer, wenn es darum geht, abzuwarten, bis ein störender Dritter sie endlich allein lässt. Andrej fragte sich, ob der Mann zu borniert war, um zu merken, was sie taten, wenn er endlich gegangen war, oder zu klug, um sein

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