Die Teufelsbibel
irgendwann wieder in die Welt zurückzuholen und mit ihm für immer zusammen sein zu können.
Pater Xavier schüttelte kaum merklich den Kopf. Es war zu kompliziert. Gefallene Mädchen gab es auch in Spanien; er brauchte nicht Yolanta in seine Heimat zu schleppen, um auf diese Weise weiterzuarbeiten. Nein, Yolanta würde hier in Prag mit ihrem Kind wiedervereint werden, so bedauerlich es auch war, ein derart hervorragendes Werkzeug vernichten zu müssen.
»Cyprian Khlesl hat nach seiner Ankunft in Prag als Erstes ein Haus aufgesucht, das zu gleichen Teilen zwei WienerKaufleuten gehört: Sebastian Wilfing und Niklas Wiegant«, sagte Pater Xavier. »Niklas Wiegant hat eine Tochter namens Agnes; Khlesl ist es ausschließlich um sie gegangen. Er ist zwar der Abgesandte von Bischof Melchior, aber ich nehme an, dass er hier auch eigene Pläne verfolgt. Agnes ist der Schlüssel, um an ihn heranzukommen.«
»Das ist die einzige Kategorie, in der Sie denken, wenn es um Menschen geht«, sagte Yolanta. »Wie Sie sie benutzen können.«
»Selbstverständlich«, sagte Pater Xavier und lächelte. »Und die Menschen machen es einem so leicht.«
»Ihre Seele ist verdammt, Pater.«
»Dann werden wir uns ja in der Hölle wiedersehen.«
»Sie wollen, dass ich diese Agnes aushorche?«
Pater Xavier neigte den Kopf und lächelte erneut.
»Ich habe schon befürchtet, Sie würden verlangen, dass ich mich Cyprian Khlesl an den Hals werfe.«
»Wenn ich den Eindruck hätte, dass es bei ihm wirken würde, hätte ich das durchaus erwogen. Ich bedauere, dass dein tatsächlicher Auftrag nicht das Vergnügen beinhaltet, sich mit einem kräftigen Mann der Lust hinzugeben.«
»Fahren Sie zur Hölle, Pater.«
Pater Xavier lehnte sich behaglich zurück. »Früher oder später höre ich diesen guten Wunsch immer«, sagte er.
»Dies ist der letzte Sklavendienst, haben Sie mich verstanden?«
»Das hast du nicht in der Hand.«
»Sagen Sie es: dies ist der letzte Sklavendienst!«
»Was hindert mich daran, Ja zu sagen und später mein Versprechen zu brechen?«, fragte Pater Xavier, doch er gestattete seiner Stimme plötzlich eine kleine Schärfe. »Was hindert mich daran, jedes meiner Versprechen zu brechen und der Sünderin den Lohn zukommen zu lassen, der ihr gebührt, nämlich nichts?«
Sie wurde bleich und schluckte. Pater Xavier lächelte sie so freundlich an wie ein Tuchhändler in seinem Kontor, der soeben zu seiner Lieblingskundin gesagt hat: ›Für einen Stoff müssen Sie sich entscheiden, werte Dame – Seide oder Brokat?‹
»So verdorben sind nicht mal Sie«, sagte sie rau.
Pater Xavier behielt das Lächeln bei. Nun schimmerten doch Tränen in ihren Augen.
»Bischof Melchior wäre garantiert selbst gekommen, wenn er nicht das Gefühl gehabt hätte, einen noch besseren Mann zu schicken. Dieser Mann ist Cyprian Khlesl. Im Augenblick mag die Spur zu unserem Ziel erkaltet sein, aber wenn einer sie wieder aufnehmen kann, dann er. Andrej von Langenfels hat uns dorthin geführt, wo die Teufelsbibel gewesen ist; Cyprian Khlesl wird uns früher oder später dorthin führen, wo sie jetzt ist. Agnes ist seine schwache Stelle.«
»Ich gehorche«, sagte Yolanta erstickt.
»Ich habe mich ein bisschen umgehört über die Herren Wilfing und Wiegant«, sagte Pater Xavier. »Ihre Geschäfte hier reichen viele Jahre zurück, und sie haben sich stets großzügig gebärdet. Jeder zweite Zöllner oder Torwächter kennt ihre Namen, die Bestechungsgelder sitzen den Herren locker. Besonders Niklas ist in guter Erinnerung; er hat vor zwanzig Jahren ein halbes Vermögen für eine Spende an ein Findelhaus ausgegeben.«
Yolanta blickte auf. Pater Xavier nickte.
»Genau«, sagte er.
»O mein Gott«, flüsterte Yolanta.
»Die Welt ist ein Dorf«, erklärte Pater Xavier. »Für mich hat sich damit eine interessante Frage beantwortet. Wenn er selbst einen Bastard gezeugt hätte, den er nicht verkommen lassen wollte, hätte er sein Geld nämlich besser anlegen können als bei den Karmelitinnen. Wenn eine seiner Mägde ein Kind in die Welt gesetzt hat, dem er unter die Arme greifenwollte, hätte er dafür gesorgt, dass es gar nicht erst dorthin kommt. So gut kenne ich ihn.«
Er sah auf und wurde sich bewusst, dass Yolanta ihn anstarrte, als wolle sie ihn im nächsten Moment umbringen.
»Wenzel geht es gut«, sagte er beiläufig. »Dass das Karmelitinnen-Findelhaus die Vorstufe zur Hölle ist, weißt du so gut wie ich. Aber ich habe für deinen Sohn
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