Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
selbstverständlich ist und dass jeder Tag, den zwei Menschen in ihre Liebe eingebettet miteinander verbringen, ein Geschenk Gottes ist. Bitte verzeih mir.«
    Vermutlich sollte er genau das tun. Er schluckte und holte Atem. Zwischen den Bäumen und Felstürmen erhaschte er einen Blick auf den sich nähernden Wagen. Er sagte: »Der Narr fährt zu schnell.«
    Über Agnes’ Gesicht huschte ein Wirbelsturm von Gefühlen. Die Enttäuschung tat ihm am meisten weh. Dann wandte sie sich ab, und zwischen ihren Brauen erschien eine Falte. Cyprian hörte die heiseren Rufe, mit denen Andrej die Pferde antrieb. Sein Instinkt handelte, bevor sein Verstand die Situation vollständig einschätzte.
    Er packte Agnes am Arm und zerrte sie von der Straße. Die Pferde donnerten an ihnen vorbei, das Hufetrommeln wie ein Wirbel aus Schlägen. Der Wagen ratterte und sprang über die Wurzeln. Cyprian sah Andrej auf dem Bock sitzen, die Peitsche schwingend. Pater Hernandos Brillengläser funkelten. Andrej sah starr geradeaus. Dann brauste der Wagen vorbei, die Wilde Jagd, kondensiert in einem dunklen, kleinen Gefährt, das das Wappen des Bischofs von Wiener Neustadt trug, und raste mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Cyprian ließ Agnes’ Arm los und rannte hinter dem Wagen her.
    »Heeee!«, hörte er sich brüllen. »HAAAALT!«
    Er rannte, so schnell er konnte, und beinahe sah es so aus, als könnte er den Wagen erreichen. Für lange Sekunden war er direkt dahinter und machte sich bereit, aufzuspringen. Dann vergrößerte sich der Abstand wieder, Nadeln, trockenes Moos und Staub prasselten ihm ins Gesicht und nahmen ihm den Atem. Er schnappte nach Luft. Seine Füße glühten, seine Beine pumpten. Der Wagen gewann immer mehr Vorsprung, und plötzlich stolperte Cyprian über eine Wurzel, die auch den Wagen in die Höhe federn ließ, er taumelte weiter, um sein Gleichgewicht kämpfend, dann fand er sich auf einmal auf dem Boden wieder und merkte, dass er nicht mehr atmen konnte. Er krabbelte auf alle viere, hustete und würgte. Der Wagen verschwand in einer Wolke aus Dreck, Hufgetrommel und Peitschenknallen zwischen den Felstürmen.
    Agnes schloss erst zu ihm auf, als er es geschafft hatte, sich auf die Knie zu erheben und halbwegs zu Atem zu kommen. Er wäre überrascht gewesen, welche Strecke er zurückgelegthatte, aber er verschwendete keinen Gedanken daran. Agnes fiel schwer atmend neben ihm ebenfalls auf die Knie.
    »Ich weiß, was er vorhat«, stöhnte Cyprian. »Ich hab’s ihm auch noch erzählt. Onkel Melchior und ich haben –« Frustriert hob er die Arme und brüllte dem längst verschwundenen Wagen hinterher: »IDIOOOOT!«
    Mühsam kam er auf die Beine. Seine Lungen brannten, Seitenstechen krümmte ihn. Er machte einen halbherzigen Schritt die Straße hinunter und verzog das Gesicht.
    »Cyprian«, sagte Agnes ruhig.
    »Ich muss …«
    »Wo willst du hin?«
    »Ich muss hinterher. Er hat doch keine Ahnung, was er …«
    »Willst du mich hier zurücklassen? Allein?«
    Cyprian blinzelte verwirrt. Er starrte zu ihr hinunter. Sie kniete immer noch auf der Straße, die Wangen erhitzt, ihre dunkle Haarmähne noch verfilzter als zuvor.
    »Willst du hinter dem Wagen herlaufen bis nach Braunau und mich hier in diesem Wald zurücklassen, mit zwei toten Mönchen als Gesellschaft und Gott weiß welchem Gesindel, das sich hier herumtreibt?«
    »Nein!«, rief Cyprian.
    »Also nimmst du mich mit nach Braunau?«
    »In die Höhle des Löwen? Unter diesen Umständen? Bist du verrückt?«
    Sie stand auf und klopfte sich die Nadeln von ihrem Kleid. »Dann kehren wir um, ja?«
    Cyprian schwieg. Diesmal war es nicht, um das Gespräch unter Kontrolle zu bekommen, sondern weil er vollkommen ratlos war. Er machte eine hilflose Geste in die Richtung, in die der Wagen gefahren war. »Ich kann ihn doch nicht …«, sagte er.
    »Also?«
    Cyprians Mund arbeitete.
    »Cyprian?«
    Plötzlich brach es aus ihm heraus: »Ich würde lieber sterben, als zuzulassen, dass dir etwas passiert. Alles, was ich jemals erreichen wollte, wollte ich für dich erreichen. Alles, was ich jemals getan habe, habe ich für dich getan. Kein Reichtum der Welt würde mir etwas bedeuten, wenn ich ihn nicht mit dir teilen könnte. Keine Schönheit würde mir genügen, wenn ich sie dir nicht zeigen könnte. Agnes, ich liebe dich. Du weißt doch, dass ich dich liebe. Ich …«
    »Dann handle so!«, schrie Agnes. »Handle so, dass ich erkenne, dass du mich liebst, anstatt einer

Weitere Kostenlose Bücher